Document (#25263)

Author
Kiefer, A.
Title
¬Die Googlewhacker
Source
Frankfurter Rundschau. Nr.66 vom 19.3.2002, S.29
Year
2002
Series
Bits'b bytes
Content
"Wenn alle Moorhühner erschossen sind, werdet Ihr merken, dass man online noch viel schöner daddeln kann: nämlich mit Internet-Suchmaschinen. Wer sagt, dass der anarchische Geist der Online-Gründerzeit vorbei ist? Kaum hatten wir uns daran gewöhnt, dass das schöne, knallbunte Unterhaltungsmedium richtig seriös werden wollte - Schluss mit portofreiem Buchhandel, kostenlosen SMS und Umsonst-Archiven, da hält ein Grüppchen computerverrückterAmerikaner die Independent-Flag-ge hoch. Ihr Angriff zielt auf die lkone der neuen Seriosität, den Buchhalter unter den Internetseiten: die Suchmaschine. Denn die eignet sich nicht nur für trockene Infos und ernsthafte Arbeit. Die einfache wie geniale Idee aus den USA: Man liefere der Suchmaschine zwei Wörter, die so wenig wie möglich zusammenpassen, und erziele exakt einen Treffer. Nicht mehr, nicht weniger. Bei über drei Milliarden Internetseiten ist der Auftrag schwieriger, als es klingt. Treffer landeten etwa die Kombinationen "Neanderthal Polygamisten" und "versteinertes Mannequin". Wie und wo die Idee des Suchmaschinenspiels geboren wurde, weiß niemand. Computerveteran Gary Stock kann immerhin für sich in Anspruch nehmen, einen Namen für das Baby gefunden zu haben. Nach einer der beliebtesten Suchmaschinen heißt der Spaß "Googlewhacking" (etwa: hau den Google). Stock baute eine Homepage für seine Mitspieler und stellte ein paar simple Regeln auf: keine Fantasiewörter, keine Zitate, Wortlisten wie etwa in einem Lexikon zählen nicht als Treffer. Mit der Einführung der Online-Bestenliste fing dann das Unglück an. Die Suchsüchtigen wollten nicht einfach mit tausenden Mitspielern auf einer Liste stehen. Stattdessen entwickelten findige Whacker ein Punktesystem, bei dem bestimmte Treffer besser gewertet werden als andere. Ab sofort ging es um Höheres, um Punkte auf der Bestenliste: Für einen Platz an der Spitze schreckten einige Whacker nicht einmal vor "bestimmten Wörtern" zurück, "die von einem großen Teil der Bevölkerung als extrem anstößig empfunden werden", klagte eine Internetseite. Schließlich musste eine Zensur der Liste her. Der heiße Atem des Establishments hat das anarchische Vergnügen also fast wieder erreicht. Wenigstens die Erfinder nehmen das Abdriften in den Mainstream mit Humor. Mit einem Augenzwinkern geben sie die sinnlose Mission an eine höhere Instanz ab: "Wir sind auf der Suche nach Dem Einen Einzigen."
Footnote
Vgl.: www.googlewhack.com; googlewhacker.com
Theme
Suchmaschinen