Document (#36342)

Author
Moll, S.
Title
Supercomputer Watson schlägt Mensch : Der Mensch ist ein weiteres Mal der Maschine unterlegen. Bei dem TV-Spielshowklassiker "Jeopardy" hat in den USA der Supercomputer "Watson" zwei menschliche Champions geschlagen
Source
Frankfurter Rundschau. Nr.41 vom 18.2.2010, S.2
Year
2010
Series
Thema des Tages
Content
"Watson zeigte keine Regung, er saß einfach nur stumm auf seinem Hocker. Dabei hatte er gerade den größten Triumph seines kurzen Lebens erzielt. 77973 Dollar hatte er in drei Abenden bei der beliebten Quizshow Jeopardy gewonnen, mehr als dreimal soviel wie seine beiden Herausforderer Ken Jennings und Brad Rutter, ihrerseits gestandene Jeopardy-Champions. Doch nicht einmal als Jennings Watson gratulierte, reagierte er. Watson blieb stumm. Das war unhöflich und unsportlich und man wurde jäh daran erinnert, dass Watson eben doch nur eine Maschine ist. Während des Spiels hätte man das beinahe vergessen, so fix, wie der Computer selbst die verzwicktesten Fragestellungen begriff und beantwortete. So beeindruckend war das, dass manch ein Zuschauer bereits ein Fan von Watson geworden war. Seine sanfte männliche Stimme hatte einem Watson über die drei Abende näher gebracht, auch wenn ihm das menschliche Gesicht fehlte. Zwischen dem adretten Ken Jennings und dem gut aussehenden Brad Rutter saß nämlich nur ein rechteckiger Bildschirm, eine Art überdimensionaler iPod. Statt eine Gesichts hatte Watson eine bewegte Grafik, eine Art Atom-Modell, um das bunte Partikel schwirrten, je heftiger Watson rechnete, umso schneller. So sollte man sich wohl Watsons Gehirn vorstellen. In Wirklichkeit sieht Watsons Gehirn wesentlich weniger elegant und kompakt aus. Watson, das sind zehn Serverschränke aus Leichtmetall, mit fast 3000 Prozessoren - sorgsam hinter der Bühne versteckt. Im Studio selbst zu sehen war nur ein Avatar, das "Gesicht" für die Fernsehzuschauer. So behäbig ist der Watson hinter den Kulissen, dass die Fernsehstation NBC das Jeopardy-Studio von Manhattan hinaus in die Vorstadt Yorkville verlegt hatte, wo IBM sein Hauptquartier und seine Forschungsabteilung hat.
Klobig und unbeholfen Hier ist Watson in den vergangenen drei Jahren gebaut worden, von einem Team aus 25 Informatikern und Ingenieuren, angeführt von David Ferrucci. Der Italo-Amerikaner ist hier Leiter der Abteilung für semantische Analyse und Integration, im Firmenjargon auch Deep QA genannt. Schon seit seiner Doktorarbeit, die IBM bereits finanzierte, beschäftigt sich Ferucci mit künstlicher Intelligenz. Er war bereits am Bau des Schachcomputers Deep Blue beteiligt, der seinerzeit den Großmeister Garri Kasparow besiegte. Doch das reichte Ferrucci nicht. Er wollte mehr, er wollte einen Computer bauen, der Probleme so formuliert, wie Menschen sie formulieren und sie löst, wie Menschen sie lösen. Die Quizshow Jeopardy war dafür das perfekte Experiment. Die Aufgaben stammen aus den unterschiedlichsten Lebens- und Wissensgebieten, sind unvorhersehbar. Sie nur zu verstehen, setzt ein komplexes Sprachvermögen voraus. Die ersten Prototypen waren noch klobig und unbeholfen. Die Antworten, die der junge Watson auf manche Fragen gab, waren so seltsam, dass das Team bisweilen schallend lachte. Als Watson Ende 2009 in die ersten Testmatches gegen Jeopardy-Kandidaten ging, war er jedoch schon ziemlich fit. Bis auf ein paar Ausrutscher konnte er bestens mithalten. Und auch seine Stimme klang nicht mehr so blechern wie noch zu Beginn.
Ulkige Fehler Der fernsehreife Watson, den die amerikanischen Zuschauer in dieser Woche erlebten, war nahezu perfekt. Nach dem ersten der drei Jeopardy Abende durften seine Widersacher noch Hoffnung haben, ihn schlagen zu können. Schon am zweiten Abend zog er jedoch uneinholbar davon. Am sympathischsten war Watson allerdings, wenn ihm seine wenigen, ulkigen Fehler unterliefen. So gab er am ersten Abend einmal eine falsche Antwort, obwohl Ken die gleiche falsche Antwort schon kurz vor ihm gegeben hatte. Beinahe so, als hätte er einen Moment gedöst - aber Watson hat weder Augen noch Ohren, er bekam die Fragen als Textdateien gefüttert und konnte Kens Antwort nicht kennen. Am letzten Abend fand er auf eine Frage in der Kategorie "US-Städte" war die Lösung "Toronto". Die Stadt liegt in Kanada, die Zuschauer lachten. Watson nicht. Das Lachen muss ihm Ferrucci noch beibringen."
Footnote
Vgl. unter: http://www.fr-online.de/digital/supercomputer-watson-schlaegt-mensch/-/1472406/7203824/-/index.html. Vgl. auch die anderen Beiträge zum Thema in derselben Ausgabe.
Field
Informatik
Object
Watson

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