Document (#26733)

Author
Röttgers, J.
Title
Traue niemandem
Source
Frankfurter Rundschau. Nr.165 vom 18.7.2003, S.14
Year
2003
Series
Bits'n'Bytes
Content
""Guten Tag. Mein Name ist Taofeek Savimbi. Ich möchte ihnen gerne einige Millionen Dollar meines Vaters anvertrauen, der nach dem Umsturz in Nigeria ins Ausland emigrieren musste. Bitte behandeln sie diese Nachricht vertraulich!" Tag für Tag erreichen uns E-Mails wie diese. Sie bitten uns darum, beim Transfer großer Geldsummen behilflich zu sein, versprechen dafür eine anständige Provision und ein gutes Gewissen obendrein - schließlich hat man nicht alle Tage die Chance, solch höflichen Kindern afrikanischer Diktatoren und Clanchefs zu helfen. Doch spätestens, wenn Taofeek Savimbi, Adeola Williams oder Mr. Tambo bitten, doch ein paar tausend Dollar vorzustrecken, sollte der Betrugsversuch jedem dämmern. Oder etwa doch nicht? Offenbar gibt es genug arme Seelen, die auf derartige Versprechungen hereinfallen. Die Berliner Polizei ist deshalb jetzt dazu übergegangen, mit öffentlichen Aushängen vor den Nigeria-Spam-Mails zu warnen. Nach einigen Hinweisen zum typischen Aufbau solcher Nachrichten heißt es darin dramatisch warnend: "Nichts ist echt!" Schön, dass es auch in den Reihen der Hauptstadt-Ordnungshüter Konstruktivisten gibt. Schade allerdings, dass sich die Warnungen auf Nigeria-Mails beschränken. Schließlich gibt es noch genug anderen Spam-Humbug, vor dem die Welt in Schutz genommen zu werden verdient. So berichtet die New York Times, die Hersteller von Penis-Vergrößerungspillen setzten mehr als hundert Millionen US-Dollar jährlich um. Beworben werden die völlig wirkungslosen Produkte meist über Massenmails. Warum also nicht eine Aufklärungskampagne des deutschen Urologenverbands: Von nichts kommt nichts"? Schlimm auch diese Dialer-Spam-Mails. Sie versprechen Video-Botschaften und Grußkarten. Stattdessen installieren sie hinterrücks Programme auf der Festplatte, die unsere Telefonrechnung mal eben mit 60 Euro belasten. Die Botschaft dagegen wäre eindeutig: "Traue niemandem!" Konsequent durchgesetzt könnten solche Aufklärungskampagnen das Spam-Problem endgültig lösen. Wenn wir alle erst einmal paranoid sind, an uns selbst und der Existenz des Universums zweifeln - warum sollten wir überhaupt noch Mails lesen wollen?"