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  • × author_ss:"Postman, N."
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  1. Postman, N.: Widersteht dem Info-Terror! : Prophezeihungen über die Zukunft des Lesens in einer Welt der Elektroniker und Gaffer (2000) 0.00
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    Content
    Als Jude hingegen wäre es einem wohl so oder so egal gewesen: Es macht keinen großen Unterschied, ob ein Pogrom im Namen eines Martin Luther oder eines Leo X. angezettelt wird. Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Die Umbrüche, die neue Medien bewirken, bringen manchen Menschen Nutzen, anderen dagegen Schaden, bei einigen wenigen wiederum fallen sie nicht weiter ins Gewicht. Dies bitte ich den Leser im Auge zu behalten, wenn ich im Folgenden einige Prophezeiungen über die Zukunft des Lesens in einer Welt der Elektronik wage. Obwohl das Gutenbergzeitalter im 15. Jahrhundert begann, erfolgte die tief greifende Umwälzung der Struktur des Lesens im 18. Jahrhundert. Kennzeichnend dafür waren eine weit verbreitete literarische Bildung, der Aufstieg des Buchs zum Massenmedium, dazu das Aufkommen öffentlicher Büchereien, die Herausbildung von Zeitschriften für ein allgemein interessiertes Publikum sowie die Entwicklung der Tageszeitung. Aus alledem erwuchs die glückliche Fügung, dass das Beste, das seinerzeit gedacht und geschrieben wurde, auf ein breites Publikum stieß, das nicht nur gewillt, sondern geradezu erpicht darauf war, es zu lesen. Der Kollaps dieser glücklichen Fügung begann im 20. Jahrhundert, und wie ich vermute, wird sich auch im 21. Jahrhundert dieser Prozess des Niedergangs fortsetzen. Insgesamt stimme ich George Steiner vollkommen zu, der überzeugt ist, dass sich zukünftig drei Arten des Lesens herauskristallisieren werden: Erstens die Entspannungslektüre, der das am Flughafen gekaufte Buch seine große Beliebtheit verdankt, und zweitens das Lesen zum Informationserwerb, das einem sogleich in den Sinn kommt, sobald man auf Begriffe wie "Computerausdruck", "Teletext" und "E-Mail" stößt. Als dritte Lektüresorte dann die Restbestände des großen Zeitalters literarischer Bildung, die derzeit rasch von den Zwängen des Informationszeitalters ausgedünnt werden. Solche Lektüre braucht Schweigen, Geduld, Bereitschaft zum Nachdenken und die Fertigkeit, komplexe Zusammenhänge als Herausforderung zu begreifen, vor allem aber die Bereitschaft zum zeitweiligen Ausblenden der Zerstreuungen der Welt, auf dass Leser und Text zu einer Einheit der Zeit, des Raumes und der Fantasie verschmelzen können. Letztgenanntes Lesen erfordert vermutlich spezialisierte Kenntnisse, weshalb auch nur wenige dazu im Stande sein werden. Natürlich ist durchaus denkbar, dass neue Wege des Transports von Schriftspra
    Footnote
    ehe - etwa E-Mail - so eingesetzt werden, dass sie nachdenkliche Lektüre fördern. 'Ich jedoch bezweifle das. Elektronische Kommunikation und hohe Wertschätzung von Geschwindigkeit gehen Hand in Hand, und jene Sorte von Reflexion und Sorgfalt, wie sie ein gedrucktes Buch verlangt, ist für E-Mails und sonstige Formen der Computertechnik nun einmal nicht vonnöten. Ich habe vorhin behauptet, dass sich diese drei Arten des Lesens zukünftig herauskristallisieren werden - tatsächlich sind sie bereits jetzt Wirklichkeit. Ich will diesen Punkt nicht weiter vertiefen; in den nächsten Jahren wird dies offensichtlich genug auf der Hand liegen. Und falls ich Recht habe: Welche Folgen wird das haben? Ganz offensichtlich wird sich das Wesen des politischen Diskurses ändern (dies ist bereits geschehen). Denn über weite Strecken des 18., 19. und sogar noch des 20. Jahrhunderts war Politik die Politik des geschriebenen Wortes. Doch je länger sich der Niedergang ernsthaften Lesens fortsetzt, desto mehr Aufmerksamkeit widmen die Bürger der Person der Politiker, statt sich deren Ideen und konkrete Politik anzusehen. Bereits heute ist dieser bedenkliche Prozess weit gediehen. Hat irgendwer jemals eine schriftliche Äußerung zu Gesicht bekommen, die Bill Clinton oder sonst ein führender Politiker des Westens zu Papier gebracht hat? Auch im Bereich der Religion wird es nicht viel anders aussehen. Ich vermute zwar, dass die Bibel auch weiterhin ihre Leser finden wird, doch es ist gut möglich, dass diese den Inhalt der Schrift eher über Filme und Zeichentrickfilme im Fernsehen kennen lernen werden als durch das Buch selbst. Dennoch werden die (visuellen) Auftritte charismatischer Prediger auf der Mattscheibe die Gläubigen nachhaltiger prägen als alles, das jemals über Religion geschrieben worden ist. Selbst in den aktuellen Nachrichten wird unser Bewusstsein primär durch das visuelle Stückwerk der Bilder von Personen und Orten geprägt werden, weit weniger dagegen durch rational nachvollziehbare, komplexe Ideen, die schriftlich ausformuliert wurden. hat all dies zu bedeuten, dass die Menschheit über weniger Informationen verfügen wird? Das glaube ich nicht. Im Gegenteil: Je deutlicher wir uns von einer Kultur der Bücherleser und Zeitungsleser zu einer Kultur der Gaffer und E-Mailer bewegen, desto mehr Informationen werden dem Individuum zur Verfügung stehen - mehr Informationen, als der Mensch jemals zuvor geboten bekam. Der Großteil davon wird einem in unterschiedlichster Gestalt aufgetischt werden, doch (genau wie jetzt) als immenser Wust, zudem weitgehend unangefordert. De facto wird Information zunehmend zu einer Art Müll werden, wird sich die Menschheit gegen bislang noch nicht erlebten Informationsterror wehren müssen. Bestätigen diese Vorhersagen meinen Ruf als Schwarzseher? Vielleicht. Immerhin unterstelle ich recht ungeschminkt, dass die Menschen ihre politischen Institutionen und auch ihre Befähigung zu wohl durchdachten Urteilen erodieren, je mehr sie sich von Lesern zu Elektronikern bewegen. Womöglich hat diese Verschiebung ihre Vorteile, so dass sich unterm Strich mehr Nutzen als Schaden ergeben mag. Mir ist sehr wohl bewusst, dass kein Geringerer als Sokrates die Ansicht vertrat, der Wechsel von der mündlichen Tradition zur Schrift werde sich als Katastrophe erweisen. In diesem Punkt irrte er, und es ist gut möglich, dass auch ich mich in meiner Einschätzung irren mag. Und dennoch: Ich bezweifle es."