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  • × author_ss:"Hanuschek, S."
  • × theme_ss:"Biographische Darstellungen"
  1. Hanuschek, S.: Gottes sinnlicher Maschinist : Uwe Schultz' Biografie des Philosophen und Langschläfers René Descartes (2001) 0.01
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    Content
    Von Descartes speziell wissen wir, dass er ein großer Schläfer vor dem Herrn war, stolz auf seine zehn Stunden Bettruhe am Tag, der vor dem Aufstehen um elf gern nachgedacht hat. Von etwas schwächlicher Konstitution, hielt er sich gern im Wintermantel in überheizten Räumen am Kamin auf, die meiste Zeit seines Lebens in den Niederlanden. Der Mann war 30 seiner 54 Lebensjahre von Krieg umgeben, ein unabhängiger katholischer Adliger in einer für den Einzelnen kaum durchdringliehen Zeit von Religionskriegen und Inquisition. Gegen die Verwirrnis suchte Descartes nach einer neuen Gewissheit im Discours de la Methode (1637), eine Scheinautobiografie, die zeigen sollte, wie man sich mit dem Verstand einen Weg durchs Chaos bahnen kann: Philosophie als undogmatische, durch Introspektion nachvollziehbare Lebenshilfe, nicht als Weltflucht. Uwe Schultz hat seine frankophile Renaissance-Begeisterung schon einige Male niedergeschrieben, vorzugsweise über Montaigne. Nun hat er eine voluminöse Descartes-Biografie vorgelegt, die über große Strecken eine reine Werkbiografie ist. Schultz berichtet ein paar sozialgeschichtliche Zusammenhänge - Reisen im frühen 17. Jahrhundert, die Finanzen von Adligen -, die wenigen biografischen Details, die über Descartes bekannt oder erschließbar sind, die Freundschaften des Philosophen. Gelegentlich gibt es nichts zu berichten - da erzählt Schultz Pariser Hofintrigen, von denen "sich Descartes offensichtlich fern" hielt, und zieht manchen trivialen psychologischen Schluss. Immerhin hat er eine veritable Intrige mit Mord und gefährlichen Liebschaften zu bieten, in die die Pfalzgräfin Elisabeth verwickelt war, eine Freundin Descartes'. Nun ist die Quellenlage bei Lebensläufen vor 1800 ein eigen Ding, aber Schultz hat sich für ein Buch dieses Umfangs auch einiges entgehen lassen, etwa den Kometenstreit oder den manifesten RosenkreutzerEinfluss auf Descartes' berühmte Erweckungs-Träume. Und er hat es fertig gebracht, ein Buch über den Schöpfer der ersten allgemeinen und bewussten Methode ohne eine einzige Bemerkung zur eigenen Methode, zu Einschränkungen und Lücken zu verfassen.
    Der Anspruch, die Wissenschaft zu erneuern, war geradezu ein Topos seiner Zeit, der auch bei Galilei und Bacon auftaucht. Uneingeschränkt ist bis heute Descartes' Bedeutung für Mathematik (Koordinatengeometrie) und Optik (Gesetz der Lichtbrechung). Weitere seiner Forschungsgebiete sind nur als Wissenschaftsgeschichte interessant, am prominentesten vielleicht seine anatomischen Vorstellungen, die in seiner Zeit revolutionär waren, aber nicht immer zutreffend Descartes war den Automaten des Barocks allzu sehr zugetan. Dem Rationalisten und Zweifler haben wir die weitgehende Entmachtung von Kirehe und Theologie zu verdanken - nicht der Religion. Der gläubige Jesuitenzögling machte deutlich, dass die kirchlichen Institutionen Meinungen vertraten, kein unfehlbares Wissen. Diesen Aspekt beschreibt Schultz eingehend, dagegen bringt er die Folgen des Discours nie auf den Punkt: Descartes hat hier begründet, was wir heute unter philosophischer Reflexion verstehen, das Nachdenken über die Möglichkeiten menschlichen Erkennens überhaupt. Er hat klar benannt, dass Erkenntnis nicht durch das limitiert ist, was sie erkennen will, sondern zuerst durch ihre eigenen Grenzen. Und wir haben Descartes die Einsicht zu verdanken, dass zwischen Materiellem und Geistigem ein Unterschied besteht das viel bearbeitete Leib-Seele-Problem. Seine Lösungen haben wir verworfen, die Vorstellung der Seele in der Zirbeldrüse wirkt eher amüsant. Eine wirklich befriedigende neue Lösung aber haben wir auch nicht gefunden. Am dichtesten daran scheint heute die Neurobiologie zu sein. Auch sie ist Schultz kein Wort wert. Es bleibt dabei: Ein gut leserliches Buch, aber eine vertane Chance."
    Source
    Frankfurter Rundschau. Nr.125 vom 31.5.2001, S.22