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  • × subject_ss:"Bibliotheksverwaltung / Zettelkatalog / Büroorganisation / Kartei / Geschichte"
  1. Krajewski, M.: Zettelwirtschaft : Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek (2002) 0.01
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    Content
    "Von der Bibliotheksführung zur Bürozeit - Eine Einleitung. - "Karteien können alles" verheißt der Fortschritt 1929 im Namen der gleichlautenden Fabriken GmbH, die ihn mit diesem vermeintlich schlichten Slogan in der Zeitschrift für Organisation prominent bewerben. Das Versprechen, das die ganzseitige Anzeige bereits im allerersten Satz auslobt, ist kein geringes. Weiter heißt es: Karteien können in den Lagerverwaltungen der großen Industriewerke Zehntausende kleiner und großer Einzelteile in Ordnung halten, können in den Personalbüros jede beliebige Anzahl Adressen übersichtlich gliedern, können in den Meldeämtern der großen Städte die Bewegung von Hunderttausenden von Menschen überwachen, können in den Buchhaltungsabteilungen der kaufmännischen Büros sich nützlich machen, z.B. als Kontokorrent-Karteien, usw. usw. Karteien können alles! Bitte lesen Sie, was »Fortschritt« in dem soeben erschienenen Kartei-Katalog »Bewegliche« Notizen über die Einrichtung von Karteien »neues« sagt. Diese Studie versucht, eine für die Entwicklung der Kartei konstitutive Idee von ihrer Urszene bis zum angezeigten Fortschritt zu verfolgen. Dazu soll gefragt werden, aus welchen Gründen die »neues« versprechende Apparatur jedwede Arbeit - allen voran Ordnen, Adressieren, Kontrollieren, Speichern, Buchhalten und Rechnen - leisten können soll. Und da diese Begrifflichkeit nachgerade fordert, sich in eine Medienarchäologie einzuschreiben, die die Universalität von Papiermaschinen untersucht, folgt das dieser Studie zugrunde gelegte Frage-Raster einer Formation der (unelektronischen) Datenverarbeitung. Warum handelt es sich bei dieser Apparatur, die vieles verspricht und vermeintlich alles kann, um eine universelle Maschine? Was für eine solche Maschine lediglich vonnöten ist, weist Alan Turing schließlich erst knapp zehn Jahre später nach: (1) ein (theoretisch unendlich) langes, gleichwohl unterteiltes Papierband, (2) ein Schreib-/Lese-Kopf und (3) ein genau festgelegtes Verfahren, wie der Schreib-/Lese-Kopf auf den Papierabschnitten zu bewegen sei. Diesen drei logischen Grundbestandteilen eines jeden Computers gilt es nun und im folgenden nachzuspüren, ihre Kontexte in dieser Form der Datenverarbeitung zu verorten und das Zusammenspiel zu analysieren, das schließlich zu dem gerechtfertigten Satz führen darf: »Karteien können alles!«
    Der erste Hauptteil 'Um 1800' versucht daraufhin, mit einem Bruch in der Anwendungsweise des Gessnerschen Verfahrens dessen erste Diskontinuität nachzuweisen. Nicht zuletzt wegen dieses Einschnitts muß die Art der Verzeichnung bis dato das Attribut vorläufig tragen. Die Verzettelungstechnik gelangt von einem temporären Gebrauch zur dauerhaften Verwendung, was dadurch eine ebenso unbeabsichtigte wie folgenreiche Umstellung markiert. Gleichzeitig entsteht hiermit der bibliothekshistorisch erste Zettelkatalog, dessen unverhoffter Einsatz und Genese in Wien um 1780 eine detaillierte Beschreibung erfährt. Der Zettelkatalog besteht nicht nur als bibliothekarische Antwort auf einen drohenden information overflow, sondern vor allem dank seiner umsichtigen Logistik. Entscheidend dabei sind schriftlich fixierte, genaue Handlungsanweisungen, anhand derer auch unausgebildetes Personal in den arbeitsteiligen Prozeß eingebunden werden kann. Mit Hilfe eines kleinen Exkurses soll zuvor jedoch die Koinzidenz zweier Adressierungslogiken untersucht werden: In einem Jahrzehnt und derselben Stadt fällt die Entstehung des Zettelkatalogs zusammen mit der Erfindung der Hausnummer. Damit etabliert sich eine Möglichkeit zur abstrakteren Repräsentation und zu einem kontrollierenden Zugriff auf Schriften bzw. Hausbewohner. Das anschließende dritte Kapitel verbleibt in der Umbruchphase um 1800, indem es eine notwendige Differenz zieht zwischen der Bibliothekstechnologie von vielen Schreib- für viele Lese-Köpfe und einer eigenwilligen Anordnung von gelehrten Exzerptensammlungen. Die Unterscheidung trennt ein Server-Konzept von einer Workstation-Philosophie. Der erste Zettelkatalog ist nicht nur das Produkt eines kollektiven Arbeitsprozesses, sondern vor allem für eine vielköpfige Benutzung geeignet und konzipiert. Im Gegensatz zu diesem Multi-User-System verwehrt die idiosynkratische Maschine in Form eines Gelehrtenkastens gerade jede fremde Einsichtnahme. Sie besitzt keine Vermittlungsnotwendigkeit, so daß sich das interne System der Verzeichnung durchaus unverständlich für alle Einsichtnehmenden ausnehmen darf. Auch eine Form von Datenschutz, die anhand der eigentümlichen gelehrten Exzerpiertechniken in einer kleinen Genealogie von Johann Jacob Moser bis zu Jean Paul und anderen konturiert wird. Das vierte und letzte Kapitel des ersten Teils widmet sich einer ersten Übertragung alteuropäischer Bibliothekstechnik in die Neue Welt. Das Zettelkastenprinzip erreicht einerseits die amerikanische Ostküste durch Bibliothekare, die in Europa studieren, um die dort etablierte Praxis der Katalogisierung auf ihre im Laufe des 19. Jahrhunderts schnell anwachsenden Büchersammlungen anzuwenden. Andererseits jedoch besitzen die Vereinigten Staaten auch eine eigene, autochthone Genealogie der Verzettelung. 1817 gelingt William Croswell bei seinem unglücklichen Projekt, der Harvard College Library einen umfassenden Katalog zu verschaffen, die Geburt des amerikanischen Zettelkatalogs aus dem Geiste der Faulheit.
    Der zweite Hauptteil 'Um 1900' fokussiert den diskursiven Übertrag zwischen Bibliothek und Büro, der wiederum nicht von europäischen Bibliotheken ausgeht. Während diese noch ganz dem Streit um Katalog vs. Aufstellung verhaftet sind, gereicht die Initiative und Aufbruchstimmung um die amerikanische Bibliothekarsvereinigung und namentlich in Gestalt ihres Protagonisten Melvil Dewey zum Ausgangspunkt des wirkungsmächtigen Technologietransfers zwischen den Institutionen der Wissensverwaltung und der Wirtschaft. Schaltstelle dafür ist ein Gebilde, das nicht nur die Zielrichtung der institutionellen Übertragung bereits im eigenen Namen trägt, sondern sich überdies vom Ein-Mann-Betrieb zu einem Konzern entwickelt: das Library Bureau. Das sechste Kapitel verschreibt sich den Agenturen einer wiederum europäischen Verbreitung dieser Speichertechnologie, d.h. es gilt der Frage nachzugehen, welche Institutionen das Wissen um den Einsatz eines Zettelkatalogs und seiner Prämissen - allen voran weitestgehende Standardisierung - aufnehmen, um es als unabdingbare Grundlage der eigenen Arbeit zu lancieren. Im siebten und letzten Kapitel koppelt schließlich das Verfahren, listengesteuerte Verwaltungen auf Zettelbasis zu führen, an den organisatorischen Diskurs einer Arbeitswissenschaft an, die den Zettelkatalog als wirtschaftliche Optimierungsinstanz entdeckt und unter dem Namen Kartei zu einem vorrangigen Rationalisierungsinstrument entwickelt. Auf der Suche nach der ökonomischen Zeit, die mit der Rationalisierungsbewegung um 1920 große Aufmerksamkeit erfährt, versprechen sich die Verfechter der modernen Büroorganisation vom Zettelkasten als Stapelverarbeitung einhellig großen Gewinn, so daß eine schlichte, einstmalige Bibliothekstechnik zum neuen Paradigma einer buchhalterischen Arbeitsweise gerät. Am Ende dieser Geschichte steht ein Medienwechsel, der die Kartei als neuen Kulturträger propagiert, um das Buch zu verabschieden. Diese Studie, deren Raster bislang implizit mit dem Shannonschen Kommunikationsmodell skizziert wurde und darauf auch im weiteren Verlauf mit der Rede von Kanälen (und Strömen) rekurrieren wird, folgt diesem Modell ebenso in der dritten Instanz der Übertragung, der Störquelle zwischen Sender und Empfänger, um letztlich zu dem Schluß zu gelangen, daß das Rauschen recht behält: Diese Arbeit möchte daher immer auch die Momente der Irritation beobachten, die Störquellen, die eine Übertragung gefährden, die ein Risiko ins Spiel mit den Karten bringen. In welcher Position ist diese Stockung zu verorten? Mit welchen Sicherungsmaßnahmen gelingt es beispielsweise, der informationellen Entropie der Kartei, ihrem irreversiblen Durcheinander der Karten einstweilen Einhalt zu gebieten? An welchen neuralgischen Punkten finden Störungen immer wieder ihren Einsatz, um bisweilen nachhaltig die Übertragungen zu unterbrechen und ihrem Ende zuzuführen? Denn es scheint unvermeidlich, die Historie der Kartei als eine Geschichte des mannigfachen Scheiterns zu lesen. Die diskursiven Übertragungen, die Transfers zwischen den Institutionen und auch die Übertragung von Informationen innerhalb der Kartei-Anordnung sowie deren Implikationen konfigurieren gemeinsam die Geschichte der Kartei. Die vorliegende Arbeit will versuchen, diese Geschichte vom Material her zu schreiben. Das heißt zunächst, viele Stimmen zur Sprache kommen zu lassen, obgleich stets die Gefahr der unstimmigen Polyphonie droht. Ein schief singender Chor. Doch da die Aufgabe darin bestehen soll, Episoden einer Anordnung aus Zetteln und ihren jeweiligen Verknüpfungen zu verknüpfen, vertraut diese Studie dem Dispositiv für einmal und notiert das, was ihr der Zettelkasten diktiert.