Literatur zur Informationserschließung
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1Schreiber, A.: Ars combinatoria.
In: Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. 2010, H.3, S.176-177.
Inhalt: "Kürzlich bat mich ein Anhänger der Numerologie, ihm mein Geburtsdatum zu nennen. Wiederholte Quersummenbildung ergab 4, meine ,Geburtszahl`. Auf dieselbe Weise addierte er auch die Alphabet-Positionen der Vokale in meinem Namen zu 8, meiner ,Herzzahl`. Das nennt sich Gematrie. Einer Tabelle waren dann Charakter und Schicksal zu entnehmen, soweit sie mir aus kosmischen Einflüssen vorbestimmt sind. Kein Zweifel, Okkultes braucht den großen Rahmen. Der Kosmos darf es da schon sein - oder die Pythagoräer, auf die man sich gerne beruft, weil sie Zahlen und Dinge geradezu identifiziert haben. Ich ließ meinen Gesprächspartner wissen, dass ich diesen Umgang mit Zahlen und Zeichen für spekulatives, ja abergläubisches Wunschdenken halte. "Aber Sie sind doch Mathematiker", gab er triumphierend zurück, "dann beweisen Sie mir erst einmal, dass die Numerologie nicht funktioniert!". Das, natürlich, konnte ich nicht. Als weitere Quelle geheimer Gewissheiten diente ihm die jüdische Kabbalah. Gematrische Verfahren hat sie durch kombinatorische Zeichenmanipulationen erweitert wie Zeruph (Permutation) oder Temurah (zyklisches Vertauschen). Die Welt wird als Buch vorgestellt, vom Schöpfer geschrieben mit den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets und den 10 dekadischen Ziffern (den "Sephiroth" eines urbildlichen Lebensbaums, mit denen Umberto Eco in seinem Roman Das Foucaultsche Pendel noch ein postmodernes Spiel treibt). Einer magischen Richtung zufolge wirken Um- und Zusammenstellungen von Buchstaben und Ziffern auf die Dinge selbst ein. So kann der Bestand verborgener Beziehungen ungehemmt wachsen. Doch "nur solche Beziehungen und Feststellungen haben objektive Bedeutung, die nicht durch irgend einen Wechsel in der Wahl der Etiketten ... beeinflußt werden". Dieses "Relativitätsprinzip" formulierte Hermann Weyl - ohne auf die Kabbalah anzuspielen - in dem Anhang Ars combinatoria zur 3. Auflage seiner Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft. Ihren Operationen verlieh die Kabbalah denn auch keine objektive, vielmehr eine mystische, in reiner Innenschau gewonnene Bedeutung. ; In Studien dieser Art hatte sich der aus Mallorca stammende Ramon Llull (lat. Raimundus Lullus, 1235-1315) vertieft. Mit seiner Ars magna et ultima wurde er Ahnherr einer nicht erst heute naiv anmutenden Begriffskombinatorik. Diese besteht vor allem darin, mit konzentrischen, frei drehbaren Kreisscheiben Wahrheiten zu entdecken. Auf die Scheibenränder schrieb Lullus die zu kombinierenden Elemente, etwa die neun göttlichen Attribute der sog. Ersten Figur, durch Großbuchstaben B, C, D, ... , K bezeichnet und um das Zentrum A (= Aleph für Gott) herum gruppiert. Zwei von ihnen werden als erstes und letztes ausgewählt (auf 9 � 8 Arten); zwischen beide lässt sich noch eine adverbielle Bestimmung schieben als beliebige aus den restlichen 7 Attributen gebildete Menge. Danach wäre etwa CEKD einer von insgesamt 9216 (= 9*2**7*8) möglichen Sätzen, zu lesen als: Die Größe ist auf mächtige und ruhmvolle Weise dauerhaft. - Das Verfahren war völlig nutzlos für die Hervorbringung von Gedanken. Doch Lullus, dem unermüdlichen religiösen Eiferer, half es bei der Abfassung einer schwer fasslichen Fülle von Predigten und frommen Traktaten. An seinem gefahrvollen Ziel, die Muslime mit den ,zwingenden` Argumenten aus seiner Kreismaschinerie zum christlichen Glauben zu bekehren, ist er aber gescheitert. Martin Gardner gestand einmal in einem Essay über die Ars magna, man spüre eine "unleugbare Faszination, wenn die Kreisscheiben gedreht werden und der Geist den seltsamen Kombinationen nachsinnt, die sie hervorbrin- gen. Wohl auch deswegen blieb die Lullische Tradition für lange Zeit wirksam. Noch Gottfried Wilhelm Leibniz dürfte sie inspiriert haben, der 1666 zwangzig jährig seine Dissertatio de arte combinatoria vorlegte. In ihr finden sich erste Beiträge zu einer wissenschaftlichen Kombinatorik, aber auch hochfliegende Ideen zu einer universal anwendbaren, enzyklopädischen Über-Wissenschaft und Erfindungskunst. Leibniz sah darin "- wenn es wahr ist, daß alle großen Dinge aus kleinen zusammengesetzt sind, mögen sie Atome oder Moleküle heißen - den einzigen Weg, in die Geheimnisse der Natur einzudringen." Und an anderer Stelle: "Diese Lehre allein führt die sich fügende Seele an die Grenze der Unendlichkeit, sie allein erfaßt die Harmonie der Welt, die innere Struktur der Dinge und die Reihenfolge der Formen". ; Der schwärmerische Ton dieser Eloge mag später Karl Friedrich Hindenburg (1739-1808) in der Hoch- oder besser Überschätzung seiner "Combinationslehre" bestärkt haben. Der gebürtige Dresdner war stolzer Gründer einer merkwürdig isoliert gebliebenen sog. kombinatorischen Schule und überzeugt, "der polynomische Lehrsatz" sei "das wichtigste Theorem der Analysis". Auch wenn man das für übertrieben hält, so ist doch die Kornbinatorik nach heutigem Stand eine Disziplin, die den Vergleich mit anderen Gebieten der Mathematik nicht zu scheuen braucht. - Was die universale Logik betrifft, die Leibniz sich ausgemalt hat, so kann sie nicht gelingen; doch ihre praktische Seite hat sich auf erstaunliche Weise im Computer verwirklicht: einer Maschine, die rechnen und - vor allem - Symbole verarbeiten kann. Auch außerhalb von Wissenschaft und Technik hat die bloß Idee gebliebene ars combinatoria eine anhaltende Wirkung auf die Einbildungskraft entfaltet. Sie führt die 'Kunst' (ars) in ihrem Namen und war ihr vielfach zu Diensten. Einiges spricht dafür, dass kombinatorische Verfahren im künstlerischen Feld immer dann vermehrt ins Spiel kommen, wenn die inhaltliche Seite des Schaffensprozesses an Bedeutung verliert: aufgrund mangelnder Vorgaben von außen (durch Auftraggeber, Mäzene) und brüchig gewordener Bindungen (an metaphysische Ideen, Anschauungen über Natur und Gesellschaft). Ein solches Stadium war zu Beginn des 20. Jhs. erreicht. Die damit verbundende "Entfesselung des Materials" (Adorno) verlangte vom Künstler, sich über den Rohstoff seiner Arbeit - Farben, Formen, Töne, Wörter, Buchstaben etc. - prinzipielle Gedanken zu machen. Wie ist mit den freigesetzten Elementen umzugehen und wie der Verdacht zu entkräften, es könne nun ziemlich beliebig zugehen? Zunächst behauptete man die Eigengesetzlichkeit des Materials. Adorno zufolge arbeitet der Künstler ganz "im strengen Anspruch der Richtigkeit, den sein Gebilde an ihn stellt". Der Urheber einer Komposition etwa ist darüberhinaus "einzig der, der sie zu lesen vermag und seine eigene Musik versteht"2. Ähnlich, aber nicht ganz so überraschend war das, was zuvor Wassily Kandinsky für die von gegenständlicher Darstellung sich ablösende Malerei reklamiert hatte, nämlich: einer "inneren Notwendigkeit" zu gehorchen - zweifellos eine mystische Kategorie. ; Die in den 1960er Jahren ausgerufene "permutationelle Kunst" scheint auch mit diesem letzten Rest an Semantik aufzuräumen. In Kunst & Computer (1973) propagierte Abraham Moles eine radikale Form der ars combinatoria: "Der vom Sinn tyrannisierten traditionellen Kunst setzt die Permutation als formales Spiel die gleichmäßig dichte Erforschung des Möglichkeitenfeldes entgegen." Zunehmend wurde der Computer an der Kunstproduktion beteiligt, denn die "permutationelle Kunst klammert mit Absicht die Bedeutung aus" (S. 131). Zahllos sind inzwischen die Beispiele von computergenerierten Grafikserien, algorithmischen Kompositionen und Texten aus Poesie-Automaten, die rund um den Globus her- und im Internet ausgestellt werden. Wie aber ist ein "Möglichkeitenfeld" zu rezipieren? Muss nicht jemand eine Instanz auswählen und ihren Wert beurteilen können? Auch Moles hat das Problem erkannt und beruft sich aufs "Kunstvergnügen" und auf "Faszination". Diese entstehe in der "spielerischen Verschwendung einer kostenlosen Zeit", die wir als "Menschen in der westlichen Welt" einfach nicht haben. Die Fähigkeit, sich in kombinatorischer Leere zu verlieren, ließe sich aber aus "Lehren ... vom Orient übernehmen". Also doch wieder Mystisches? Alan Turing, ein Pionier der modernen Computerwissenschaft, brachte das Vordringen der Maschine in die Domänen menschlicher Intelligenz schon früh zur Sprache. Nicht einmal das Verfertigen von Sonetten stelle für ihn eine Grenzlinie dar, bekannte er, um sogleich einzuschränken: "The comparison is perhaps a little bit unfair because a sonnet written by a machine will be better appreciated by another machine." - Darin nun scheint mir ein bisher kaum beachteter (und von Turing nicht einmal so gemeinter) Hinweis zu liegen, wie das Rezeptionsproblem zu lösen sei. Der französische Schriftsteller Raymond Queneau hat die Pointe bemerkt und den Zitat-Nebensatz als Motto seiner Hunderttausend Milliarden Gedichtei gewählt. Wundersame Ironie ... !"
Objekt: Ars combinatoria
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2Walker, T.D.: Medieval faceted knowledge classification : Ramon Llull's trees of science.
In: Knowledge organization. 23(1996) no.4, S.199-205.
Abstract: Ramon Llull [auch: Raimundus Lullus] (1232-1316) wrote many didactic and theoretical works that demonstrate an exhaustive and creative approach to the organization of knowledge. His encyclopedic 'Arbre de scìencia' (1296) was a multi-volume summation of human knowledge, organized according to a plan that could be applied to other works. Set against a background of Lull's other tree-based works, including the 'Libre del gentil e dels tres savis' (1274-1289) and the 'Arbre de filosofia desiderat' (1294), the 'Arbre de scìencia' is described and analyzed as a faceted classification system
Objekt: Ars combinatoria
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3Bexte, P. ; Künzel, W.: Allwissen und Absturz : der Ursprung des Computers.
Frankfurt : Insel Verlag, 1993. 216 S.
ISBN 3-458-16527-4
Abstract: Kaum eine Wissenschaft der Neuzeit dürfte so geschichtslos angetreten sein wie die Computertheorie. Die simulierte Gleichzeitigkeit alles je Geschriebenen, die der Bildschirm erzeugt, scheint die Beschäftigung mit der Historie abzuschaffen. Das System schluckt die Geschichte und läßt so vergessen, daß es seinerseits eine solche hat. Uns aber hat sie nicht mehr losgelassen, seit wir vor Jahren an an die Schriften des mittelalterlichen Theologikers Raimundus Lullus gerieten. Seine logischen Modelle haben wir in die Computersprachen Cobol sowie Assembler übertragen und sie in einen Berliner Großrechner eingegeben. So entstand aus einer bloßen Übersetzung das ablauffähige Programm "Ars Magna. Author: Raimundus Lullus, um 1300". Dieser älteste Systementwurf war uns der Tigersprung in das Vergangene, der das Kontinuum der Geschichtslosigkeit aufsprengt. Im Kurzschluß von Jetztzeit und Vergangenheit glühen Verbindungen auf, die scheinbar Bekanntes in neuem Licht erscheinen lassen. Daß die Elektronenhirne einen solch direkten Draht zu mittelalterlichen Gottesbeweisen haben, verlangt nach einer Spurensicherung neuer Art, nach einer besonderen Archäologie des Immateriellen. Die Spur führt auf ein ungesichertes Terrain, auf verschüttete Pfade durch zerbrochene Buchstäblichkeiten, die keine Kabbala mehr zusammenhält. Vertraute Oppositionsbegriffe, die den Dingen eine neuzeitliche Ordnung geben würden, wie Wissenschaft/Kunst, Subjekt/Objekt, Religion/Technik, greifen hier nicht mehr. Hier bedarf es einer anderen Lektüre. Und in solcher Überschreitung zeigen uns die alten Texte plötzlich die Spuren des Neuen. Die von Raimundus Lullus ab 1275 entwickelte Logik ist Gestalt geworden Kosmologie. Sie verkörpert Offenbarungswissen, demonstriert die Logik des Universums. In ihrem kombinatorischen Verfahren sind Gottesbeweis und Maschinenbau identisch, sie fallen zusammen, bilden keine Gegensätze. Mit ihr wird ein Feld eröffnet, das sich nicht durch Widersprüche strukturiert, sondern durch hemmungslose Kommunikation von anderweitig Getrenntem. Alles folgt hier ein und derselben Logik, einer Ars Combinatoria, die durch alle Bereiche geht. Sie durchmißt die gesamte Stufenleiter des Seins, von den Steinen, Pflanzen, Tieren, über Menschen, Himmel, Engel bis hinauf zu Gott und wieder hinab. So verbindet diese Logik Himmel und Erde, Asien und Europa, medizinischen und juristischen Körper, Musik und die Quadratur des Kreises etc. Diese Kombinatorik leistet also, was der Mythos älteren Kulturen bot: die Verknüpfung von allem mit allem. So entstehen Netzwerke, als deren ältester Programmierer sich Raimundus Lullus erweist. Seine Ars Magna liefert uns die Basis-Algorithmen, seine Tafeln geben uns den Code des Universums. Hierin berührt er sich mit einer Theorie des Universums als "big computer", wie kein Geringerer als Konrad Zuse sie in unseren Tagen vorgekegt hat. Lullus war der erste Hacker in den himmlischen Datenbanken.
Wissenschaftsfach: Informatik
Objekt: Ars combinatoria
LCSH: Computers / History ; Machine theory
RSWK: Kombinatorik / Geschichte 1270-1716 / Computer / Geschichte Anfänge ; Kombinatorik (ÖVK) ; Systeme (ÖVK) ; Computer-Geschichte (ÖVK)
BK: 54.01 / Geschichte der Informatik
LCC: QA76.17.K86 1993
RVK: ER 640 Allgemeine und vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft. Indogermanistik. Außereuropäische Sprachen und Literaturen / Allgemeine Sprachwissenschaft / Sprachphilosophie (Primärliteratur der Sprachphilosophie; Sekundärliteratur s.o. bei Geschichte der Sprachwissenschaft) / Sonstiges ; SR 800 Informatik / Nachschlagewerke. Didaktik / Allgemeines, Nachschlagewerke, Ausbildung / Geschichte der Datenverarbeitung
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4Henrichs, N.: Wissensmanagement auf Pergament und Schweinsleder : die ars magna des Raimundus Lullus.
In: 'Schwimmende Vorträge': Ein Nachtrag zum 1. Internationalen Symposium für Informationswissenschaft, ISI'90, in Konstanz. Konstanz : Universität, FG Informationswissenschaft, 1990. S.9-15.
Objekt: Ars combinatoria
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5Henrichs, N.: Wissensmanagement auf Pergament und Schweinsleder. Die ars magna des Raimundus Lullus.
In: Pragmatische Aspekte beim Entwurf und Betrieb von Informationssystemen: Proc. des 1. Int. Symposiums für Informationswissenschaft, Universität Konstanz, 17.-19.10.1990. Hrsg.: J. Herget u. R. Kuhlen. Konstanz : Universitätsverlag, 1990. S.567-573.
(Konstanzer Schriften zur Informationswissenschaft; Bd.1)
Objekt: Ars combinatoria