Document (#37222)

Author
Lange, E.
Title
¬Die Kraft der Gedanken : Forscher verknüpfen das Gehirn mit dem Computer - und schaffen mentale Tastaturen
Source
Frankfurter Rundschau. Nr.130 vom 6.6.2003, S.14
Year
2003
Series
Netzwerk
Content
"Belle blinzelt verstohlen aus seinem Käfig. Der winzige Eulen-Nachtaffe, klein genug, um in einer Manteltasche Platz zu finden, greift nach dem Futter. Tausend Kilometer entfernt hebt im Massachusetts Institute of Technology (MIT) ein Roboter seinen Arm - es ist exakt die identische Bewegung, zeitgleich mit dem Original. Möglich machen das 32 haarfeine Kabel, die der Neurobiologe Miguel Nicolelis von der Duke Universität (North Carolina) ins Gehirn des Primaten eingesetzt hat. Damit liest er Gedankenimpulse des Affen aus - und die steuern - über das Internet weitergeleitet - den fernen Roboter. Nicolelis erforscht die Kopplung von Nervenbahnen und Computer. Die Verbindung des menschlichen Geists mit Maschinen zählt nach Ansicht des renommierten MIT zu den zehn Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Tastaturen oder Menübedienungen als Schnittstelle zwischen Mensch und dienstbaren Rechenknechten galten schon lange als Krücke. Ein halbes Dutzend Teams rund um den Globus arbeitet am Computeranschluss des Homo S@piens direkt im Gehirn. Die Amerikaner sind führend darin, die Neuronen des Nervensystems anzuzapfen. Aber deutsche Wissenschaftler holen auf: So ist es Nils Birbaumer von der Universität Tübingen gelungen, eine Nervenanbindung zu entwickeln, mit der gelähmte Patienten über ihre Hirnströme einen Cursor auf dem Computerdisplay bewegen. Sie wählen Buchstaben aus und schreiben so langsam ganze Sätze. Auch die Forscher vom Berliner Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (First) steuern einen Cursor mit der Kraft der Gedanken: Eine raffinierte Software filtert nach einem 20-minütigen Training aus allen Hirnimpulsen der Probanden diejenigen für die Computerbedienung heraus. Wird der Cursor in einem Buchstabenfeld bewegt, entsteht eine Art mentaler Schreibmaschine. Künftige Anwendungen gehen weit darüber hinaus. Brain-Computer könnten eines Tages eine neue Art von Spielen ermöglichen und wären auch für die Automobilindustrie interessant. Sogar per Hirnanschluss gesteuerte bionische Roboter - so genannte Cyborgs, quasi halb Mensch, halb Maschine - dürften einmal wirklich werden. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Frühestens in fünf bis 15 Jahren, schätzt der Neurophysiologe Eberhard Fetz aus Seattle, seien die ersten menschlichen Gehirne vollständig mit einem Computer verdrahtet. Bislang sahen die "Stecker zum Gehirn" meist recht konventionell aus: Winzige Elektroden haben die Neurobiologen bis in die Nervenbahnen vorgeschoben, um dort Impulse abzugreifen. Doch das funktioniert meist nur kurze Zeit; Abstoßungsreaktionen führen häufig dazu, dass die Zellen keinen Strom mehr liefern oder Neuronen beschädigt werden. Ein Forscherteam der University of Texas in Austin um Christine Schmidt hat jetzt ein biologisch verträglichen Kunststoff gefunden, der Nervenzellen wie ein elektrischer Leiter fest mit Halbleiterbausteinen verbindet. Winzige, nur drei Millionstel Millimeter (Nanometer) kleine, leitende Kristalle aus Cadmiumsulfid sind das Rohmaterial für die Neurochips, auf denen die Neuronen anwachsen können. Ein erster Neurochip auf dieser Basis mit einem Mikrocontroller (acht Bit, drei Megahertz) ist klein und leicht genug, um ihn auf einer Motte zu implantieren. Damit konnten die Daten der Muskelbewegungen abgegriffen und die komplizierten Flugbewegungen des Insektesaufgezeichnet werden.
Ähnlich gelang jüngst eine Jumbo-JetLandung im Simulator. Dabei nahm niemand den Steuerknüppel in die Hand. Nasa-Wissenschaftler entwickelten ein Armband mit acht Elektroden, die einem Computer alle Handbewegungen des Trägers übermitteln, damit er sie mittels einer Software in Steuerimpulse umwandelt, die auf neuronale Netze aufbaut und lernfähig ist. Mit der Anpassung an verschiedene Muster kann diese Neuralnetz-Software individuell auf den Piloten und seinen Zustand eingehen. Wissenschaftler der Duke-Universität stellten ein fingernagelkleines Array aus 160 Mikroelektroden her, das leicht implantiert werden kann. Sie koppelten es mit einem Neurochip, der die Daten drahtlos mit einem Computer außerhalb des Körpers austauscht. Sie hoffen, in Kürze die Zahl der Elektroden auf mehr als tausend steigern zu können, um komplexere Bewegungen beispielsweise mit einem Roboterarm präzise durchführen zu können. Bionic-Forscher Nicolelis entwickelt derzeit einen Chip, der unter die Haut gepflanzt wird und die Neurosignale drahtlos weiterleitet - so können die lästigen Stecker und Kabel entfallen. Und noch auf einem anderen Gebiet sind die MIT-Forscher weitergekommen: Der Affe bekam ein Feedback in sein Nervensystem - und somit ein Gefühl dafür, wie schwer die mit der fernen Hand gepackten Gegenstände sind, ob sie glatt oder klebrig sind. Zum ersten Mal konnte das Tier den künstlichen Arm als einen Teil seines Körpers empfinden - und gefühlsecht eine Frucht anheben. Diese Forschung ist ein Schritt auf dem Weg zu Neuroprothesen für Behinderte. "Wir müssen zwar noch einige Hürden überwinden, bevor die Neurochips zum Beispiel für eine Therapie ausreichend sicher und zuverlässig sind", sagt Nicolelis. "Aber unser Ziel ist es, ein palmtopähnliches Gerät zu entwickeln, das die Nervensignale auswertet und Computer, Prothesen oder Roboter steuert oder an den Arzt übermittelt." Nicht alle Forscher sind so optimistisch. Neurologen vom Wiener Allgemeinen Krankenhaus geben zu bedenken: "Das Gehirn ist so unglaublich komplex, dass die Technik nur sehr schwer mitkommt", sagt der Leiter der Abteilung für Klinische Neurologie, Lüder Deecke: "Es gibt Millionen Nervenbahnen. Wie will man da überall direkte Verbindungen herstellen?" "
Footnote
Vgl. auch: www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/pm/pm183.html
Field
Kognitionswissenschaft

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