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  • × author_ss:"Albrecht, C."
  1. Albrecht, C.: ¬Ein Barbar in Bielefeld : Es hallt ein Ruf wie Donnerhall: Schließt die Biblitheken (2002) 0.04
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    Content
    "Als der Kalif Omar gefragt wurde, was mit der Bibliothek von Alexandria geschehen solle, gab er eine weise Antwort: Wenn die Schriften mit dem Koran übereinstimmen, verbrennt sie, denn sie sind unnütz. Wenn sie nicht mit dem Koran übereinstimmen, verbrennt sie ebenfalls, denn sie sind schädlich. Das klingt nur deshalb barbarisch, weil der Koran für uns bedeutungslos ist. Setzt man jedoch für den Kalifen Omar den Bibliothekar Karl Wilhelm Neubauer und für den Koran das Internet, elektronische Bücher und Zeitschriften sowie das Drucken auf Abruf oder andere digitale Techniken ein, die zum Teil noch zu entwickeln sind, dann erkennt man die Weisheit einer heiligen Zerstörungswut, die aufhebt, was sie vernichtet. Rousseau und Nietzsche zitieren den barbarischen Kalifen als Beispiel für die Vitalität junger, unverbildeter, eroberungssüchtiger Kulturen. Karl Wilhehn Neubauer ist der scheidende Direktor der Universitätsbibliothek Bielefeld, die als modernste Bibliothek Deutschlands gilt. Neubauer ist 62 Jahre alt, wirkt aber, als hätte vor zwanzig Jahren jemand das Alterungsgen bei ihm abgeschaltet. So verkörpert er die Vitalität der jungen, aber machthungrigen digitalen Zivilisation. Er ist der klassische Nestbeschmutzer. Viele Berufskollegen hassen ihn. Aber das Publikum vergöttert Nestbeschmutzer: Denn Nestbeschmutzer suchen die Schuld nicht bei den anderen, sondern bei sich selbst. So sind sie die Umstürzler, Antreiber, Macher. Wenn das Thema Bibliotheken nicht so verstaubt klänge, wäre Neubauer der Liebling der Medien. Hier liegt eines der Probleme: Kommunikation. Die Bibliothekare, gewohnt, seit Omars Zeiten und früher immer schon dagewesen zu sein, sagen uns nicht, was sie eigentlich machen und wozu wir sie künftig noch brauchen. Wir fragen sie aber auch zuwenig. Zwar wollen wir eine sogenannte "Wissensgesellschaft" sein, und wir haben gelernt, daß wir den stetigen Bevölkerungsrückgang nur durch Produktivitätssteigerung aufwiegen können, also durch Bildung und Forschung. Aber das hat keine ernsthaften Konsequenzen. Wie also Aufmerksamkeit erregen für ein Thema, das die Gesellschaft interessieren müßte? Beispielsweise durch eine Konferenz zum Thema "Informationsqualität für alle und ihre Kosten", auf der Neubauer seine radikalen Ideen letzte Woche in Bielefeld drei Tage lang von einer Garde internationaler Fachleute feiern und bekräftigen ließ. Aber nicht Eitelkeit haben wir ihm vorzuwerfen, sondern eher, daß er immer noch nicht radikal genug ist. Richtig verstanden, sind Bibliotheken die "Nabe", das starre Traditionszentrum, um das sich die Innovationsdynamik der wissensbasierten Gesellschaft dreht, so die Leiterin der Unternehmensbibliothek beim Computerkonzern Hewlett Packard. Die Nabe wirkt jedoch im verborgenen, ihr Prinzip ist, die Reibungsverluste bei der Fortbewegung so gering wie möglich zu halten, also möglichst selbst nicht spürbar zu sein. Wir dagegen haben ein falsches, sentimentales Bild von Bibliotheken.
    Wir stellen sie uns monumental vor. Dies zeigte Liv Saeteren, Direktorin der öffentlichen Bibliothek von Oslo. Sie berichtete über die Schwierigkeiten, die neue Rolle der Bibliothek als "Lernzentrum" angemessen architektonisch umzusetzen. Tatsächlich: Seit die Nationalbibliotheken im neunzehnten Jahrhundert in kolossale Monumentalbauten einzogen, erhielten sie ein Prestige, als wären sie die Ursache und nicht bloß das ephemere Ergebnis erfolgreicher industrieller Nationalökonomien. Das Modell ist immer noch prägend für unser Denken: Entscheidend ist die berauschende Größe - die des Baus oder die des Bestandes. Heute ist das jedoch anders: Je mehr die Bibliotheken unsichtbar werden und verschwinden, desto mehr werden sie zur stillstehenden Mitte fortwährender technischer und kultureller Revolutionen, zur Achse der wertschöpfenden Tätigkeiten, zur tatsächlichen Grundlage und nicht nur symbolischen Repräsentation gesellschaftlicher Macht. Wie ist dieser Bedeutungszuwachs durch Verschwinden, der Erfolg durch Abwesenheit. denkbar? Dazu müssen wir ein wenig ausolen. Beginnen wir mit dem Stichwort "Bibliothekskrise". Damit ist gemeint, daß die Ankaufsetats der wissenschaftlichen Bibliotheken bei weitem nicht so schnell steigen wie die Preise vor allem der Zeitschriften im Bereich von Naturwissenschaft, Technik und Medizin. Die Folge ist, daß erst weniger Fachbücher angeschafft und schließlich auch immer mehr Abonnements gekündigt werden müssen. Die Bibliothekare warnen, daß deshalb Studenten länger studieren müßten, daß Spitzenkräfte abwanderten und der "Wissenschaftsstandort Deutschland" gefährdet sei. - Krise? Welche Krise? - In Wirklichkeit ist das aber ein internationales Problem. Es trifft alle Länder - und am schlimmsten die armen. Am Anfang schrien die Bibliotheken einfach nur nach mehr Geld. Als nicht genug kam, begann man Schuldige zu suchen. Vor einem halben Jahr hatten die kommerziellen Verlage mit ihrer Profitgier den Schwarzen Peter. Heute trifft es auch die Wissenschaftler. Denn Bibliothekare und einzelne Wissenschaftler kamen auf die Idee, den Ertrag der Forschung in autonomen Verlagen selbst zu vermarkten, die kommerziellen Verlage zu boykottieren und so einen preismindernden Wettbewerb zu fördern. Aber die Boykottaufrufe fruchten nicht, denn für die meisten Wissenschaftler ist es allein wichtig, in renommierten Zeitschriften zu publizieren, um ihren Ruhm zu mehren, und ihre Karriere- und Verdienstchancen zu erhöhen. Deshalb sind sie heute die bevorzugten Buhmänner der Bibliothekare, die ihre Anstrengungen hintertrieben sehen durch Eitelkeit und Gleichgültigkeit. Alle sind sich einig, daß Geld der Hebel ist. um die nötigen Verhaltensänderungen zu bewirken. Unterschiedlich sind nur die Meinungen, welche finanziellen Anreize geschaffen werden sollen.
    Manche Bibliothekarsvertreter wollen beispielsweise den Wissenschaftlern "verbieten, die Nutzungsrechte wissenschaftlicher Arbeiten von vornherein zu kommerzialisieren". Sie möchten die Aufmerksamkeitsökonomie der wissenschaftlichen Zeitschriften, mit der die Qualität von Wissenschaft gemessen wird, durch ein anderes System ersetzen. Sie möchten die Endnutzer an den Nutzungskosten für Datenbanken beteiligen. Sie möchten den Einkauf von Zeitschriften länderübergreifend koordinieren, in der Hoffnung, die Nachteile der gegenwärtigen Konsortialverträge zu überwinden. Diese Einkaufsgenossenschaften, so ihre Erkenntnis, führten in der jetzigen Gestaltung nur zu einer größeren Anzahl verfügbarer Titel, aber nicht zu sinkenden Preisen. Neubauer dagegen paßt die ganze Richtung nicht. Warum die Konflikte nicht eskalieren lassen, bis uns der ganze korrupte Laden um die Ohren fliegt? Und dann neu aufbauen. Vor allem: keine Konsortien mehr. Jede Bibliothek müsse ihr individuelles Informationsprofil definieren, entsprechende Abonnements bestellen oder einzelne Artikel nach Bedarf kaufen ("pay per view") und ansonsten die Zeitschriften abbestellen. Das heißt: sich auf die thematischen "Kernkompetenzen" der Hochschule konzentrieren und hier das attraktivste, reichste Angebot schaffen. Würden das alle so machen, ergäbe sich auch ein wohltuendes Artensterben unter den fettsubventionierten Zeitschriftensauriern. Wissensbeihilfen Denkt man das weiter, braucht man dann überhaupt noch Bibliotheken? Professoren und Studenten könnten bei den Verlagen direkt ihre Informationen beziehen, im Abonnement oder per Einzelabruf, wie im normalen Leben eines Abonnenten beispielsweise dieser Zeitung. Jeder nach seinen Möglichkeiten und Bedürfnissen. Der zentrale Ankauf und die kostenlose Bereitstellung waren einmal die effizienteste Art, den Zugang zu Qualitätsinformationen zu garantieren. So sind die Bibliotheken unterderhand zu Sozialstationen degeneriert. Das wird im Licht der digitalen Revolution heute sichtbar. Denn die digitale Technik, die alle Information in beliebig kleine Einheiten zerteilt, erlaubt den Zugriff in jeder individuell wünschenswerten Form. Und jede Informationseinheit kann als solche vermarktet werden. Das "Zwischenlagern" in Bibliotheken wird für einen bedeutenden Teil der Literatur künftig überflüssig und entsprechend auch die falschverstandene "Mission" der öffentlichen wie der wissenschaftlichen Bibliotheken, die Informationen kostenfrei an die vielen "Bedürftigen" abzugeben. "Informationsgerechtigkeit" sicherzustellen ist künftig eine Aufgabe der Öffentlichkeit, nicht mehr der Bibliotheken. Wie so etwas technisch denkbar ist, zeigte in Bielefeld der Leiter der Öffentlichen Bibliothek von Eindhoven am Konzept städtischer oder regionaler "WissensBezirke".
    Aber auch hier ist die Unterscheidung zwischen der "technischen" gegenüber der "sozialen" Garantie des Zugangs zu. Information noch nicht durchgeführt. Neue Entwicklungen und Anreizsysteme werden so denkbar: Lernhungrige Studenten, die viel lesen, könnten zum Beispiel eine prozentual höhere "Informationsbeihilfe" erhalten. Lehrbücher müssen so schnell wie möglich durch interaktive eBooks ersetzt werden. Für die Papierbestände, die in den historischen Wissenschaften von Bedeutung bleiben, solange sie nicht retro-digitalisiert sind, wünscht man sich Zusammenlegung in spezialisierte, Präsenzbibliotheken in der Nähe von Archiven, Nachlässen, Sondersammlungen, Forschungsschwerpunkten. Auch für die Geisteswissenschaften könnte sich die Digitalisierung so als segensreicher Richtungsimpuls auswirken: Zurück zu den Quellen! Die Dokumente verschwinden, das ist nur eine Frage der Zeit. Die Bibliothekare schlüpfen in neue Rollen als Informationsvermittler, die vor allem das "soziale Leben" der Information betreuen: Sie halten als Administratoren die Information durch ständige Wartung technisch lebendig. Sie testen und installieren Systeme, die den Nutzern helfen, ihre individuellen Informationsportfolios zu optimieren. Sie schulen die Nutzer in der Suche, Nutzung und Entwicklung von Lern- und Lehrmaterialien. Sie liefern Daten zum Informationskonsum, die Rating-Agenturen zur Bewertung der Qualität von Forschung und Lehre nutzen können. Einiges davon deuteten Präsentationen auf der Konferenz bereits an. Die Bibliotheken sind schwach und müssen gestützt werden? Wer schon fällt, den muß man stoßen, so der promovierte Theologe Neubauer, der sinnigerweise an einem Buch über Dschingis Khan schreibt. Sondermittel dürften die Ministerien nur den Starken geben, die sich reformieren und rückhaltlos den Ausbau der digitalen Infrastruktur und der entsprechenden Dienstleistungen vorantreiben. Gilt diese robuste Ethik nur für die Bibliothekspolitik? Die Gesellschaft dürfe nicht zulassen, daß ein Informationsproletariat entsteht. Das aber ist nicht nur eine Frage von arm und reich. Auch müssen die Menschen die Information nicht nur finden können. Sondern sie müssen sie auch bewerten, müssen zwischen guter und schlechter Information unterscheiden können und wollen. Vielleicht wird "Informationsethik" das Hauptfach in der "Lern-Bibliothek" der Zukunft. Denn universelle Verfügbarkeit von Information ist zwar technisch denkbar, aber sie ist nicht per se wünschenswert. Geld ist ein bewährtes Mittel zur Steuerung sozialer Systeme. Warum sollen statt der Bibliothekare nicht die Nutzer selbst entscheiden, in welche Themen sie mit ihrem persönlichen Budget investieren wollen? Der Wettbewerb ist ein härterer Prüfstein als selbst der Koran: Was mich nicht stärkt, ist schädlich, was ich langweilt, ist überflüssig."
  2. Albrecht, C.: Begrabt die Bibliotheken! : Unser Kulturauftrag ist die Digitalisierung (2002) 0.04
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    ""Gebt ihr das lebende Kind, nur tötet es nicht." Verzicht aus echter mütterlicher Liebe und Sorge - jeden Leser der Bibel ergreift die Weisheit des Königs Salomo, der den Streit der beiden Mütter auf paradoxe Weise sich selbst entscheiden ließ. Denn höchste Staatsklugheit drückt sich bei ihm in der Drohung höchsten Staatsversagens aus: in der Drohung, das strittige Kind mit dem Schwert zu zerteilen, den Streit buchstäblich gegenstandslos zu machen. Die Computerisierung des Lebens läßt uns spüren, wie sehr wir selbst noch archaischen Familienwerten verhaftet sind, statt uns an digitale Beziehungslosigkeit angepaßt zu haben. Beispielhaft für unsere inneren Kämpfe ist der 92. Deutsche Bibliothekartag, der vergangene Woche in Augsburg stattfand. Die Bibliothek gehört zu unseren ehrwürdigsten Institutionen. Wer mit dem einen oder anderen Bibliothekar gesprochen hat, weiß die Vertreter dieser Institution zu schätzen: Sie zeichnen sich aus durch persönliche Integrität, Loyalität gegenüber ihrer Institution, leidenschaftliche Liebe zum Beruf, Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft. Diese Eigenschaften drückten sich auch aus in den Herausforderungen, die in fast vierzig Themenkreisen und über sechzig Arbeitssitzungen zur Sprache kamen. Dazu gehörten etwa die betriebswirtschaftliche Prozeßoptimierung, der Einsatz moderner Methoden für Leistüngsmessung, die Ausbildung des Personals und sein effizientester Einsatz im Interesse der Nutzer und der steuerzahlenden Öffentlichkeit. Dazu gehörte die Verantwortung der Bibliotheken als Vermittler von Informationskompetenz, als Anbieter mullmedialer Lehr- und Lernmittel sowie als Verleger elektronischer Publikationen. Im letztgenannten Bereich geht es darum, zu den kommerziellen Verlagen in bestimmten Bereichen in Konkurrenz zu treten, um eine Senkung der exorbitant steigenden Preise für den Bezug wissenschaftlicher Informationen zu bewirken und die damit verbundene "Bibliothekskrise" im Interesse der Wissenschaft zu mildern. Schließlich drückt sich das hohe Ethos unserer deutschen Bibliothekare im Willen zu Selbstkritik und Veränderung aus, in der Bereitschaft, den "Spagat" zwischen "Kulturauftrag" und "Informationsmanagement", das Nebeneinander von Beständen traditionellen, gedruckten Wissens und moderner digitaler Informationshäppchen', die Probleme der sogenannten "hybriden Bibliothek" zu meistern. Wir können soviel Problembewußtsein nur bewundern - und müssen den sich darin ausdrückenden Idealismus doch kritisieren. Die Bibliothekare sorgen sich, wie sie mit so vielen neuen Aufgaben fertig werden sollen, und rufen nach mehr Geld, um Zeitschriften und Bücher überhaupt noch kaufen, die digitale Infrastruktur ausbauen und das Personal schulen zu. können. Aber sie wollen das Sorgerecht für ein Kind, das im Begriff ist, erwachsen und selbständig zu werden. Die Bibliotheken werden wie die echte Mutter in der Geschichte vom weisen König Salomo lernen müssen, ihren Zögling loszulassen, um ihn noch besitzen zu können. Die Technik selbst ist dabei nur eine von drei Triebkräften. Möglich ist es heute durch zahlreiche internetgestützte Informationsangebote, Güter und Dienstleistungen in globalem Maßstab zu vergleichen: Das betrifft alles, was irgendwie standardisierbar ist, und das ist sehr viel, etwa Bücher, Versicherungs- oder Bankprodukte, Maschinen und Zulieferteile, Rohstoffe und Handwerksleistungen am Bau. Der öffentliche Sektor ist dem Vergleich bislang am wenigsten ausgesetzt. Er fällt unter den Generalverdacht derjenigen, die den Konkurrenzdruck ertragen müssen. Lehrer beispielsweise gelten pauschal als "faul". Das ist stupid, liegt aber in der Logik der Sache. Politiker kümmern sich nicht ums Gemeinwohl und sind korrupt - das ist ebenso stupid, aber der Kölner Klüngel zeigt die Notwendigkeit, Ausschreibungen für öffentliche Projekte transparent zu machen: das Internet bietet dafür alle Möglichkeiten.
    Es gibt das öffentliche Gut "Informationsinfrastruktur" und das private Gut "Information". Für bestimmte Teile des Informationsmarktes werden Intermediäre wie Buchhändler und Bibliotheken überflüssig. Dies gilt vor allem für den Bereich naturwissenschaftlicher, medizinischer und technischer Literatur. Dieser Bereich ist teuer und ineffizient, weil zwei Funktionen miteinander vermischt sind. Zum einen geht es um die Versorgung mit Informationen darüber, was die Wissenschaft bereits geleistet hat und was nicht ein zweites Mal erarbeitet werden muß. Zum anderen geht es darum zu wissen: Wer hat was geleistet, wer wird auf seinem Fachgebiet künftig Herausragendes leisten. Es geht um Vergangenheit und um karriererelevantes Prestige. Gemessen wird das daran, wie oft jemand in Zeitschriften mit hoher Reputation veröffentlicht und wie häufig er zitiert wird. Diese doppelte Nachfrage treibt die Preise für wis-' senschaftliche Zeitschriften. In diesem System gegenseitiger, Begünstigung dienen die Bibliotheken nur noch als Parkplätze, auf denen Geldkoffer den Besitzer wechseln - wobei uns die Parkplatzwächterweismachen wollen, die Koffer seien zu klein. Ein Teil der Lösung wird im Direktbezug einzelner Aufsätze oder Informationen liegen, unter mehr oder weniger großer finanzieller Selbstbeteiligung der Wissenschaftler. Die Bibliothekare werden überflüssig wie Versicherungsmakler, sobald die Kun den ihre Versicherungen per Internet di rekt abschließen. Die strukturell bedingte Korruption je doch wird erst beendet sein, wenn das System der Informationsversorgung vom System der Prestigemessung getrennt sein wird. Die Herausgeber und Gutachter der wissenschaftlichen Zeitschriften, außerdem die übrigen Fachgelehrten und lesenden Wissensarbeiter sollten ihre Bewertungen von prestigeheischenden Beiträgen deshalb direkt in eine zentrale nationale oder besser internationale Datenbank eingeben, deren Inhalt öffentlich einsehbar ist und Auswertungen gestattet, beispielsweise wenn Stellen zu besetzen sind. Der Internetbuchhändler Amazon liefert mit seinen Leserbewertungen ein primitives Modell, das man beliebig verfeinern könnte. Und die Geisteswissenschaften? Bleiben sie nicht auf der Strecke, ebenso wie die Bibliotheken und ihr sogenannter "Kulturauftrag"? Am Beispiel der Bibliotheken zeigt sich vielmehr, daß wir die Digitalisierung der Gesellschaft, ihre Differenzierung nach funktionalen Gesichtspunkten selbst als unseren Kulturauftrag betrachten müssen. Einer künftigen Differenzierung in stark verschulte Lehramts- und "Bachelor"-Studiengänge einerseits und wissenschaftliche Master- und Promotionsstudiengänge andererseits entspräche eine Einteilung in möglichst virtualisierte Lehrstoffsammlungen und spezialisierte, um Archive oder Themenschwerpunkteherum organisierte Präsenzbibliotheken. Ihren tiefer als bisher verstandenen Kulturauftrag- den Bibliotheken - pathetisch gesprochen - als Friedhöfe des Geistes, als Mausoleen identitätstiftender Kulturdenkmäler, mit der Wissenschaft als begleitendem Totenamt. Wer liegt nicht lieber auf dem Père-Lachaise als auf dem Stadtfriedhof von Vechta? Das Internet könnte also bei der nationalen Reorganisation und Konzentration der geisteswissenschaftlichen Forschungsbibliotheken als Börse dienen, in der Dauerleihgaben getauscht und zu .zeitlich begrenzten Sammlungen zusammengeführt werden können. Die Bibliothekare müßten jedoch auch hier ihre Fixierung auf stets wachsende Bestände lösen und die Differenz von unveräußerlichem Eigentum und befristetem Besitz - der "Nutzung" - lernen. In der Bibel steht nicht, was mit der Mutter und ihrem Kind weiter geschah. Sicher ist nur, daß sie nicht heimgingen, um gemeinsam eine "hybride Bibliothek", oder andere Ungeheuer auszubrüten, an die sogar der weise Wissenschaftsrat glaubt."
    Date
    26. 4.2002 11:22:22
  3. Albrecht, C.: ¬Die Entdeckung der Weitschweifigkeit : Über das Glück, mit Markow-Ketten zu rasseln: Die Schriften Claude E. Shannons (2001) 0.00
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    Abstract
    Der Mathematiker und Elektrotechniker Claude Elwood Shannon, der am 24. Februar dieses Jahres starb (F.A.Z. vom 2. März), prägte 1948 den nachrichtentechnischen Begriff der Information. Er vermaß damit das Wahrscheinlichkeitsfeld, auf dem sich unsere elektronische Kultur auf ihrer abstraktesten Ebene abspielt. Soeben erschien ein Band ausgewählter Schriften Shannons über zum Teil skurrile mathematische Gegenstände: Kommunikations- und Nachrichtentheorie, Kryptologie, Schaltkreise, eine Vorhersage in Feuerleitsystemen, eine Schrift über eine Maschine, die in der Lage ist, ein Labyrinth durch Versuch und Irrtum zu lösen, ein Aufsatz zu einem Spiegelsystem, das es amerikanischen Autofahrern erlaubt, sich im antinapoleonischen Linksverkehr Großbritanniens zurechtzufinden. Den Abschluß bildet ein spaßiges Lied über den, Rubik-Würfel, der in den frühen achtziger Jahren bei vielen Spielern die Volkskrankheit des "Würfeldaumens" verursacht hat. Die Auswahl der Texte verdeutlicht bereits eine Philosophie, die alle Äußerungen des Lebens und des Todes auf Gesetze der Wahrscheinlichkeit und Kombinatorik zurückführt: Unterhaltende Spiele oder eine mathematische Theorie der Vererbungsgesetze Mendels (davon handelt die in diesem Band nicht enthaltene Dissertation Shannons) lassen sich spiegelbildlich übersetzen in die Mathematik kriegsentscheidender und,gegebenenfalls todbringender Techniken wie Feuerleitsysteme und Kryptologie. Zu den fundamentalen Entdeckungen Shannons gehörte es etwa, daß sich Nachrichtentechnik und Kryptographie im Begriff der Redundanz aufeinander beziehen und ineinander überführen lassen. In der Nachrichtentechnik erhält man sichere Übertragungssysteme durch Vermehrung der Redundanz, also durch Weitschweifigkeit.