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  • × author_ss:"Albrecht, C."
  1. Albrecht, C.: Begrabt die Bibliotheken! : Unser Kulturauftrag ist die Digitalisierung (2002) 0.01
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    Content
    ""Gebt ihr das lebende Kind, nur tötet es nicht." Verzicht aus echter mütterlicher Liebe und Sorge - jeden Leser der Bibel ergreift die Weisheit des Königs Salomo, der den Streit der beiden Mütter auf paradoxe Weise sich selbst entscheiden ließ. Denn höchste Staatsklugheit drückt sich bei ihm in der Drohung höchsten Staatsversagens aus: in der Drohung, das strittige Kind mit dem Schwert zu zerteilen, den Streit buchstäblich gegenstandslos zu machen. Die Computerisierung des Lebens läßt uns spüren, wie sehr wir selbst noch archaischen Familienwerten verhaftet sind, statt uns an digitale Beziehungslosigkeit angepaßt zu haben. Beispielhaft für unsere inneren Kämpfe ist der 92. Deutsche Bibliothekartag, der vergangene Woche in Augsburg stattfand. Die Bibliothek gehört zu unseren ehrwürdigsten Institutionen. Wer mit dem einen oder anderen Bibliothekar gesprochen hat, weiß die Vertreter dieser Institution zu schätzen: Sie zeichnen sich aus durch persönliche Integrität, Loyalität gegenüber ihrer Institution, leidenschaftliche Liebe zum Beruf, Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft. Diese Eigenschaften drückten sich auch aus in den Herausforderungen, die in fast vierzig Themenkreisen und über sechzig Arbeitssitzungen zur Sprache kamen. Dazu gehörten etwa die betriebswirtschaftliche Prozeßoptimierung, der Einsatz moderner Methoden für Leistüngsmessung, die Ausbildung des Personals und sein effizientester Einsatz im Interesse der Nutzer und der steuerzahlenden Öffentlichkeit. Dazu gehörte die Verantwortung der Bibliotheken als Vermittler von Informationskompetenz, als Anbieter mullmedialer Lehr- und Lernmittel sowie als Verleger elektronischer Publikationen. Im letztgenannten Bereich geht es darum, zu den kommerziellen Verlagen in bestimmten Bereichen in Konkurrenz zu treten, um eine Senkung der exorbitant steigenden Preise für den Bezug wissenschaftlicher Informationen zu bewirken und die damit verbundene "Bibliothekskrise" im Interesse der Wissenschaft zu mildern. Schließlich drückt sich das hohe Ethos unserer deutschen Bibliothekare im Willen zu Selbstkritik und Veränderung aus, in der Bereitschaft, den "Spagat" zwischen "Kulturauftrag" und "Informationsmanagement", das Nebeneinander von Beständen traditionellen, gedruckten Wissens und moderner digitaler Informationshäppchen', die Probleme der sogenannten "hybriden Bibliothek" zu meistern. Wir können soviel Problembewußtsein nur bewundern - und müssen den sich darin ausdrückenden Idealismus doch kritisieren. Die Bibliothekare sorgen sich, wie sie mit so vielen neuen Aufgaben fertig werden sollen, und rufen nach mehr Geld, um Zeitschriften und Bücher überhaupt noch kaufen, die digitale Infrastruktur ausbauen und das Personal schulen zu. können. Aber sie wollen das Sorgerecht für ein Kind, das im Begriff ist, erwachsen und selbständig zu werden. Die Bibliotheken werden wie die echte Mutter in der Geschichte vom weisen König Salomo lernen müssen, ihren Zögling loszulassen, um ihn noch besitzen zu können. Die Technik selbst ist dabei nur eine von drei Triebkräften. Möglich ist es heute durch zahlreiche internetgestützte Informationsangebote, Güter und Dienstleistungen in globalem Maßstab zu vergleichen: Das betrifft alles, was irgendwie standardisierbar ist, und das ist sehr viel, etwa Bücher, Versicherungs- oder Bankprodukte, Maschinen und Zulieferteile, Rohstoffe und Handwerksleistungen am Bau. Der öffentliche Sektor ist dem Vergleich bislang am wenigsten ausgesetzt. Er fällt unter den Generalverdacht derjenigen, die den Konkurrenzdruck ertragen müssen. Lehrer beispielsweise gelten pauschal als "faul". Das ist stupid, liegt aber in der Logik der Sache. Politiker kümmern sich nicht ums Gemeinwohl und sind korrupt - das ist ebenso stupid, aber der Kölner Klüngel zeigt die Notwendigkeit, Ausschreibungen für öffentliche Projekte transparent zu machen: das Internet bietet dafür alle Möglichkeiten.
    So auch die Bibliotheken. Effizienzmessung und Benchmarking treffen einen gesellschaftlichen Nerv. Aber solange öffentliche Einrichtungen nicht in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten, wirkt das nur, als lasse man der Öffentlichkeit lediglich die Wahl zwischen rotem und schwarzem Filz. Sogar die Politiker, die zweite Triebkraft, merken, daß sie den Leuten ihre minderwertige Auslegeware nicht unbegrenzt aufschwatzen können. Andere Staaten, Länder, Kommunen leisten mehr. Es zeugt für ihr Verantwortungsgefühl, wenn die Bibliothekare Kindergärten, Schulen und Hochschulen Angebote zur Verbesserung der "Informationskompetenz" machen. Aber das wirkt, als wollte der Lahme dem Blinden beispringen. Politiker werden an solchen Verzweiflungsakten ihren Handlungsbedarf erkennen, aber nicht glauben, daß ein solches Gespann ans Ziel gelangen kann. Die seit der Pisa-Vergleichsstudie von den Bürgern verstärkt geforderte Bildung von "Informationskompetenz" gehört in den Verantwortungsbereich der Bildungsinstitutionen, nicht der Archive. Politiker werden die Autonomie der öffentlichen Ausbildungsstätten, gleichzeitig aber auch den Wettbewerb um die besten Methoden zu fördern haben: private Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Technik treibt nicht nur Politik, sondern auch Wirtschaft an. Die zum Buch gebundene Einheit von Medium und Inhalt ist durch digitale Technik aufgelöst.
    Es gibt das öffentliche Gut "Informationsinfrastruktur" und das private Gut "Information". Für bestimmte Teile des Informationsmarktes werden Intermediäre wie Buchhändler und Bibliotheken überflüssig. Dies gilt vor allem für den Bereich naturwissenschaftlicher, medizinischer und technischer Literatur. Dieser Bereich ist teuer und ineffizient, weil zwei Funktionen miteinander vermischt sind. Zum einen geht es um die Versorgung mit Informationen darüber, was die Wissenschaft bereits geleistet hat und was nicht ein zweites Mal erarbeitet werden muß. Zum anderen geht es darum zu wissen: Wer hat was geleistet, wer wird auf seinem Fachgebiet künftig Herausragendes leisten. Es geht um Vergangenheit und um karriererelevantes Prestige. Gemessen wird das daran, wie oft jemand in Zeitschriften mit hoher Reputation veröffentlicht und wie häufig er zitiert wird. Diese doppelte Nachfrage treibt die Preise für wis-' senschaftliche Zeitschriften. In diesem System gegenseitiger, Begünstigung dienen die Bibliotheken nur noch als Parkplätze, auf denen Geldkoffer den Besitzer wechseln - wobei uns die Parkplatzwächterweismachen wollen, die Koffer seien zu klein. Ein Teil der Lösung wird im Direktbezug einzelner Aufsätze oder Informationen liegen, unter mehr oder weniger großer finanzieller Selbstbeteiligung der Wissenschaftler. Die Bibliothekare werden überflüssig wie Versicherungsmakler, sobald die Kun den ihre Versicherungen per Internet di rekt abschließen. Die strukturell bedingte Korruption je doch wird erst beendet sein, wenn das System der Informationsversorgung vom System der Prestigemessung getrennt sein wird. Die Herausgeber und Gutachter der wissenschaftlichen Zeitschriften, außerdem die übrigen Fachgelehrten und lesenden Wissensarbeiter sollten ihre Bewertungen von prestigeheischenden Beiträgen deshalb direkt in eine zentrale nationale oder besser internationale Datenbank eingeben, deren Inhalt öffentlich einsehbar ist und Auswertungen gestattet, beispielsweise wenn Stellen zu besetzen sind. Der Internetbuchhändler Amazon liefert mit seinen Leserbewertungen ein primitives Modell, das man beliebig verfeinern könnte. Und die Geisteswissenschaften? Bleiben sie nicht auf der Strecke, ebenso wie die Bibliotheken und ihr sogenannter "Kulturauftrag"? Am Beispiel der Bibliotheken zeigt sich vielmehr, daß wir die Digitalisierung der Gesellschaft, ihre Differenzierung nach funktionalen Gesichtspunkten selbst als unseren Kulturauftrag betrachten müssen. Einer künftigen Differenzierung in stark verschulte Lehramts- und "Bachelor"-Studiengänge einerseits und wissenschaftliche Master- und Promotionsstudiengänge andererseits entspräche eine Einteilung in möglichst virtualisierte Lehrstoffsammlungen und spezialisierte, um Archive oder Themenschwerpunkteherum organisierte Präsenzbibliotheken. Ihren tiefer als bisher verstandenen Kulturauftrag- den Bibliotheken - pathetisch gesprochen - als Friedhöfe des Geistes, als Mausoleen identitätstiftender Kulturdenkmäler, mit der Wissenschaft als begleitendem Totenamt. Wer liegt nicht lieber auf dem Père-Lachaise als auf dem Stadtfriedhof von Vechta? Das Internet könnte also bei der nationalen Reorganisation und Konzentration der geisteswissenschaftlichen Forschungsbibliotheken als Börse dienen, in der Dauerleihgaben getauscht und zu .zeitlich begrenzten Sammlungen zusammengeführt werden können. Die Bibliothekare müßten jedoch auch hier ihre Fixierung auf stets wachsende Bestände lösen und die Differenz von unveräußerlichem Eigentum und befristetem Besitz - der "Nutzung" - lernen. In der Bibel steht nicht, was mit der Mutter und ihrem Kind weiter geschah. Sicher ist nur, daß sie nicht heimgingen, um gemeinsam eine "hybride Bibliothek", oder andere Ungeheuer auszubrüten, an die sogar der weise Wissenschaftsrat glaubt."
    Date
    26. 4.2002 11:22:22
  2. Albrecht, C.: Landkarten des Wissens : Eine Tagung über enzyklopädische Informationsverarbeitung (2001) 0.01
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    Abstract
    "Wie definiert man die Schwerpunkte künftiger Forschung? Wie lassen sich ertragreiche Themen finden? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung gründete dazu im Sommer dieses Jahres die Initiative "Futur". Ziel ist eine am "Bedarf dieser Gesellschaft" orientierte Forschungsförderung. Bevor man sich auf bestimmte Themen festlegen kann, ist ein Um- und Überblick nötig. Diesen enzyklopädischen Überblick besitzt heute keine einzelne Person. Deshalb sollen insgesamt etwa zweitausend Beteiligte dieses "deutschen Forschungsdialogs" einen umfassenden Informationsaustausch sicherstellen. Der Fortschritt des Wissens soll hier also befördert werden durch thematische Umschau und Konzentration der Kräfte. Eine ähnliche Wirkung enzyklopädischer Wissenssammlung versprach sich der französische Philosoph Denis Diderot von der "Encyclopédie", die er ab 1750 gemeinsam mit dem Mathematiker Jean le Rond d Alembert herausgab. Die Encyclopedie dachte sich Diderot als eine "Weltkarte" des Wissens. Mehr als 160 Schriftsteller, Philosophen, Wissenschaftler und Spezialisten aller Disziplinen stellten darin den "Stand der herrschenden Anschauungen" dar. Mit "einem Blick" würde man erkennen, "an welchen Gegenständen man arbeiten" müsse. Das selbstbewußte Fortschreiten der wissenschaftlichen Zivilisation wurde damit zum Selbstläufer. Ein bereits existierender technischer Standard für die Repräsentation von Wissen heißt heute "Topic Maps" (ISO 13250). Noch immer ist die Metapher der Weltkarte leitend. Prinzipiell gleichgeblieben ist das Bedürfnis, die durch Buchdruck, Zeitschriften und heute das Internet wachsende Masse des Wissens zu sammeln, zu verwalten und gezielt weiterzuentwickeln. Wissen vom Wissen: Man könnte dies die enzyklopädische Funktion nennen, die jede Kultur mit ihren spezifischen Medientechniken anders realisiert. Eine Tagung des rührigen Instituts für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg sprach vom "europäischen Modell der Enzyklopädien". Thematisch war die Tagung jedoch im wesentlichen auf die Enzyklopädistik der frühen Neuzeit eingeschränkt. Eine gezielte epochenübergreifende Betrachtung verschiedener Erscheinungsformen der enzyklopädischen Funktionen Sichern, Ordnen und Verarbeiten versuchten auch die historischen Überblicksbeiträge nicht. Marco Jorio (Bern) etwa beleuchtete den Beitrag enzyklopädischer Werke zur nationalen Identitätsfindung. Hans Zotter (Graz) schlug einen nicht sehr systematischen Bogen von den barocken Kunstsprachen - Versuchen, die Welt auf eine überschaubare Zahl von Begriffen zu reduzieren - zum Wissensmanagement moderner Bibliotheken.
    Content
    Jonathan Swift brauchte in "Gullivers Reisen" die Projekte barocker Kunstsprachen nur zu beschreiben, und die Satire ergab sich daraus fast so mechanisch wie die Sätze, die der kurbelgetriebene Satzgenerator der Großen Akademie von Ladago hervorbringt. Fast ebenso mechanisch werden Wörterbuchkritiker wie Pierre Bayle zu Wörterbuchmachern. Paul Michel (Zürich) zitierte Bayle in einem quasienzyklopädischen Reigen historischer Enzyklopädiekritiker. Das "Wesen" der Enzyklopädie besteht demnach darin, Enzyklopädiekritik hervorzurufen. Was Zotter für die Ordnung im Internet festhielt, gilt für alle Enzyklopädistik: Sie scheitert gewissermaßen kontrolliert an der Dynamik der Wirklichkeit. Tiere nach der Form ihrer Exkremente zu klassifizieren, ist zwar, wie Lichtenberg feststellte, möglich, aber nach modernen Maßstäben nicht unbedingt sinnvoll. Über Sinn und Unsinn enzyklopädischer Ordnungssysteme entscheiden jedoch die Bedürfnisse der Nutzer. Iolanda Ventura stellte das alphabetisch sortierte Herbarium in der Enzyklopädie des Bartholomäus Anglicus (etwa 1230-40) vor. Es enthielt Randnoten über die Eigenschaften der Dinge und ihre allegorische Deutung; Prediger und Bibelexegeten konnten sie zur Darstellung von Tugenden und Lastern heranziehen. Zur charakterlichen Bildung dienten auch die eklektischen adab-Enzyklopädien mittelalterlicher arabischer Gelehrter (Hinrich Biesterfeldt, Bochum). Mit den Techniken des Sicherns, Ordnens und Verarbeitens von Wissen - so auch das Thema der Tagung - beschäftigten sich die drei wegweisenden Beiträge der Tagung. Gemeint sind vor allem Techniken des Exzerpierens und Indizierens von Texten. Um wichtige Passagen dem schnellen Zugriff bereitzustellen, schrieben Gelehrte einzelne Stichwörter zusammen mit einem Verweis auf das Kapitel oder den Paragraphen der Fundstelle auf Blätter. Diese zerschnitten sie anschließend in kleine Zettel. Halteschnüre oder ein lösbarer Leim erlaubten es, sie zu ordnen und laufend zu ergänzen, bis am Ende ein privater Buchindex entstanden war. Anleitungen zum Registermachen und zum Anlegen von Zettelkästen mit losen Zetteln kamen im siebzehnten Jahrhundert auf. Die darin beschriebenen Techniken bildeten eine Voraussetzung für die Durchsetzung alphabetisch statt systematisch geordneter enzyklopädischer Werke. Helmut Zedelmaier (Wolfenbüttel) machte jedoch in seiner Analyse dieser Quellen die Kontinuität wissensverarbeitender Techniken seit dem Mittelalter deutlich. Schon im späten Mittelalter wurden Buchregister in Handschriften erstellt, und die Gewohnheit des Verweisens auf Kapitel und Paragraphen behielt man bis ins siebzehnte Jahrhundert bei. Was die Verzettelung bei der Registererstellung überhaupt ermöglichte, war einfaches billiges Papier, das man in kleine Stücke schneiden konnte. Das Indizieren. von Texten ist eine anspruchsvolle Tätigkeit. In Amerika sind die professionellen Indizierer sogar zu einem Berufsverband zusammengeschlossen. Thomas Carlyle sagte zu Recht, ein Index ohne Buch habe ihm manchmal genützt, ein Buch ohne Index nie. Eine Art Index ohne Buch sind Florilegien, die Gilbert Hess (München) als eine Sonderform von Enzyklopädien untersuchte. Das Verfassen von Texten war in der rhetorischen Tradition ein Finden, nicht ein Erfinden. Wer Autoritäten anrufen, seine eigenen Behauptungen durch Zitieren von Autoritäten stützen oder seine Rede durch schöne Beispiele schmücken wollte, konnte auf Sammlungen von Gemeinplätzen zurückgreifen. Sie ermöglichten dank einem standardisierten System allgemeiner Suchkategorien den schnellen Zugriff auf Fundstellen. Zitate wurden oft als Originalzitate ausgegeben. Oder sie wurden gar nicht als Zitate ausgewiesen. Florilegien verdauten so die literarische Tradition, die in den Texten wiedergekäut wurde. Die vielen indirekten Zitate, die sich dem Gebrauch dieser "Reader's Digest"-Literatur verdanken, sind für den heutigen Leser nur nicht mehr erkennbar.
    Footnote
    Philosophen verachteten Buchregister als gelehrte Barbarei; Bücher seien nicht zum Nachschlagen da, sondern zum Durchlesen. Aber das hängt von der Art der in ihnen gesuchten Informationen ab. Bücher, die eher wie Datenbanken funktionierten, stellte Arndt Brendecke (München) vor, und zwar den bisher kaum untersuchten Typus historischer Tabellenwerke. Der Text dieser Geschichtsbücher ist tabellarisch, also räumlich gegliedert und daher tatsächlich nicht zum Durchlesen geeignet. Die Technik, Informationen in Spalten zu ordnen, wurde in Handel und Verwaltung entwickelt. Vorläufer historischer Tabellenwerke gab es auch hier bereits im Mittelalter; in der Tradition der Chronologie, der Computistik, der Annalistik und der Mnemonik. Neu war im sechzehnten Jahrhundert der Grad der graphischen Ausgestaltung solcher Tabellen. Auch hier schuf der Buchdruck nicht etwas von Grund auf Neues. Er ermöglichte vielmehr eine Verfeinerung und Ausweitung bestehender Techniken. In diesem Fall einfach dadurch, daß mit sehr kleinen Typen sehr viel Text in die feingerasterten Tabellenzellen gedruckt werden konnte. Aber dadurch wurde eine neue Qualität quasigraphischer Informationsverarbeitung geschaffen. Die synoptische Darstellungsform half zunächst, Ereignisse verschiedener Überlieferungen in chronologische Übereinstimmung zu bringen. Sie ermöglichte den synchronen Vergleich verschiedener Register einer Kultur: der politischen, kulturellen, religiösen Ereignisse. Die Einteilung in derartige Kolumnen förderte die Entstehung von Segmentgeschichten mit deutlich ausgeprägter Epochenstruktur. Die tabellarische Darstellungsweise muß man sich dabei in der Praxis als eine Benutzeroberfläche eines "Hypertextes" vorstellen; hatte man sich einen Überblick verschafft, suchte man vertiefende Informationen in Kompendien. Was anfangs die vorrangig didaktische Funktion hatte, das Memorieren fürstlicher Dynasten und ihrer Haupt- und Staatsaktionen zu erleichtern, wird später zum Erkenntnismodell, um kausale Zusammenhänge zu verstehen. Der Aufklärungshistoriker Ludwig August Schlözer verstand die Weltgeschichte als "eine systematische Sammlung von Sätzen, vermittels deren sich der gegenwärtige Zustand der Erde und des Menschengeschlechts aus Gründen verstehen läßt.""
  3. Albrecht, C.: ¬Die Entdeckung der Weitschweifigkeit : Über das Glück, mit Markow-Ketten zu rasseln: Die Schriften Claude E. Shannons (2001) 0.01
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    Abstract
    Der Mathematiker und Elektrotechniker Claude Elwood Shannon, der am 24. Februar dieses Jahres starb (F.A.Z. vom 2. März), prägte 1948 den nachrichtentechnischen Begriff der Information. Er vermaß damit das Wahrscheinlichkeitsfeld, auf dem sich unsere elektronische Kultur auf ihrer abstraktesten Ebene abspielt. Soeben erschien ein Band ausgewählter Schriften Shannons über zum Teil skurrile mathematische Gegenstände: Kommunikations- und Nachrichtentheorie, Kryptologie, Schaltkreise, eine Vorhersage in Feuerleitsystemen, eine Schrift über eine Maschine, die in der Lage ist, ein Labyrinth durch Versuch und Irrtum zu lösen, ein Aufsatz zu einem Spiegelsystem, das es amerikanischen Autofahrern erlaubt, sich im antinapoleonischen Linksverkehr Großbritanniens zurechtzufinden. Den Abschluß bildet ein spaßiges Lied über den, Rubik-Würfel, der in den frühen achtziger Jahren bei vielen Spielern die Volkskrankheit des "Würfeldaumens" verursacht hat. Die Auswahl der Texte verdeutlicht bereits eine Philosophie, die alle Äußerungen des Lebens und des Todes auf Gesetze der Wahrscheinlichkeit und Kombinatorik zurückführt: Unterhaltende Spiele oder eine mathematische Theorie der Vererbungsgesetze Mendels (davon handelt die in diesem Band nicht enthaltene Dissertation Shannons) lassen sich spiegelbildlich übersetzen in die Mathematik kriegsentscheidender und,gegebenenfalls todbringender Techniken wie Feuerleitsysteme und Kryptologie. Zu den fundamentalen Entdeckungen Shannons gehörte es etwa, daß sich Nachrichtentechnik und Kryptographie im Begriff der Redundanz aufeinander beziehen und ineinander überführen lassen. In der Nachrichtentechnik erhält man sichere Übertragungssysteme durch Vermehrung der Redundanz, also durch Weitschweifigkeit.
    Die Redundanz technischer Übertragungssysteme schützt Nachrichten vor Verstümmelung, ohne den Informationsgehalt der übertragenen Nachrichten zu erhöhen. Ein weitschweifiger Journalist erleichtert durch Vergleiche und Metaphern das Verständnis: "Anschaulichkeit' stellt sicher, daß eine Nachricht beim Leser "ankommt'; den Informationsgehalt erhöht sie damit nicht. Die Verminderung von Weitschweifigkeit führt dagegen zur Unverständlichkeit: Nachrichtendienste verschlüsseln Nachrichten durch Verminderung von Redundanz und sichern sich so, gegen das Abhören. Ähnlich vermindern Wissenschaftler die Redundanz ihrer Arbeiten, um nicht von Laien verstanden werden zu können. Für den Uneingeweihten klingen solche Kryptogramme wie Rauschen. Redundanz ist das Maß der inneren Regelmäßigkeit einer statistischen Struktur. Nachricht minus Redundanz ist Informationsgehalt. Für den Betrag der Information hat Shannon die Maßeinheit angegeben: das bit - die "basic indissoluble information unit" (nicht zu verwechseln mit der Einheit für die Darstellung von Daten mit Hilfe binärer Zeichen, dem großgeschriebenen "Bit" unserer Computer). Den Informationsgehalt einer Nachricht zu ermitteln ähnelt dem Frage-Antwort-Spiel beim "heiteren Beruferaten": Jede Ja/Nein-Antwort entspricht einem bit Information. Der "lnformationsgehalt' eines Berufs entspricht der Anzahl nötiger Fragen, ihn zu erraten - je exotischer, "interessanter" der Beruf, desto mehr bits oder Fünfmarkstücke.
    Der entscheidende Aspekt in Shannons mathematischer Theorie der Kommunikation ist, "daß die tatsächliche Nachricht aus einem Vorrat von möglichen Nachrichten ausgewählt wurde". Ahnlich in der binären Logik des Fernsehquiz': Hier wählen die Ratenden aus einer endlichen Zahl beruflicher Lebenswelten, die gleichsam durch sogenannte "typische Handbewegungen" in diskrete Einheiten zerhackt werden. Mathematik und Unterhaltung kommen dabei in einem überein: in der Bedeutungslosigkeit. Shannons Modell abstrahiert davon, ob Nachrichten "Bedeutung" haben, also sich "auf bestimmte physikalische oder begriffliche Größen" beziehen. Ihn interessiert nur, ob und wie die Informationen im gegebenen Kanal störungsfrei übertragen werden können. Die Unterhaltungsindustrie wiederum, deren binäre Logik auf der Unterscheidung zwischen dem Interessanten und dem Langweiligen beruht, kümmert sich nicht darum, ob sich die generierte Information auf wirtschaftliche oder politische Größen bezieht. Sie interessiert nur, ob der Fernseher eingeschaltet bleibt. Entscheidend ist für Shannon der Aspekt der Auswahl etwa aus Buchstaben eines Alphabets, weil damit die Statistik zum Zug kommen kann. Damit läßt sich beispielsweise der Informationsgehalt der deutschen Schriftsprache messen. Nimmt man an, daß alle 30 Zeichen (29 Buchstaben plus Leerzeichen) gleich verteilt sind, ergibt sich ein Informationsgehalt von 4,9 bit. In Wirklichkeit ist jedoch die Wahrscheinlichkeit für die Wahl der verschiedenen Buchstaben, Silben und Wörter in einer natürlichen Sprache in jedem Stadium des Prozesses von der vorhergegangenen Auswahl abhängig. Einen solchen Prozeß bezeichnet die Wahrscheinlichkeitstheorie als Markow-Prozeß oder Markow-Kette. Berücksichtigt man also die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Buchstabenfolgen, so erhält man einen viel kleineren mittleren Informationsgehalt der deutschen Schriftsprache, nämlich 1,6 bit.
    Damit kann man ihre Redundanz errechnen: Sie ist 4,9 bit minus 1,6 bit gleich 3,3 bit. Das bedeutet, daß die Hälfte von dem, was wir schreiben, von vornherein weitschweifig ist; es wäre auch dann noch lesbar, wenn jedes zweite Zeichen fehlen würde. Fehlende Buchstaben von Wörtern zu ergänzen, ist deshalb seit dem "Großen Preis" eine beliebte Übung in QuizShows. Beim Raten der Buchstaben scheinen die Kandidaten mit ihren Markow-Ketten in den Köpfen zu rasseln, bis endlich das Wunder des Sinns aufscheint und dem Zufallsprozeß eine höhere Ordnung entsteigt. Die Kandidaten vermögen diese Glücksgefühle der Transsubstantiation von Unsinn in Sinn innerhalb eines Zeitraums hervorzurufen, der unter der durch-' schnittlichen Schwelle der Langeweile des Publikums liegt. Im Spektrum zwischen dem bedeutungsfreien Materialismus der Shannonschen Kommunikationstheorie, der Fernsehen oder automatische Waffensysteme ermöglicht, und der tatsächlich gesendeten menschenfreundlichen Idiotie liegt der Bereich der technischen und kulturellen Reproduktion der Gesellschaft. Dazwischen gibt es Effekte mehr oder weniger "bedeutsamer" Kommunikation, die mehr dem einen, dann mehr dem anderen Pol angenähert sind. Shannons Formeln nähern sich ihrem unanschaulichen Gegenstand, der Über-' tragung Von Information, den sie (abgesehen von den kurzen erläuternden Texten um die Formeln herum) redundanzfrei darstellen. Damit sind sie für normalgebildete Menschen schon unverständlich. Die Herausgeber seiner Schriften, ernste Archäologen eines digitalen Totenkults, stellen damit so etwas wie den Stein von Rosetta vor uns hin. Sie machen uns damit neugierig auf den Kommentarband, der Essays zu Leben, Werk und Bedeutung Shannons sowie andere Dokumente verspricht. Denn wir ahnen, daß die mathemat sc en Hieroglyphen der vorliegenden Textauswahl die Antwort auf die Preisfrage nach dem Wesen unserer technisch formierten Kultur enthalten. Aber erst eine mediengeschichtliche Kryptanalyse, die sie in kulturgeschichtlichen Sinn übersetzt, wird ihren Inhalt tauglich machen für "Wer wird Millionär?"
  4. Albrecht, C.: ¬Ein Barbar in Bielefeld : Es hallt ein Ruf wie Donnerhall: Schließt die Biblitheken (2002) 0.00
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    Content
    "Als der Kalif Omar gefragt wurde, was mit der Bibliothek von Alexandria geschehen solle, gab er eine weise Antwort: Wenn die Schriften mit dem Koran übereinstimmen, verbrennt sie, denn sie sind unnütz. Wenn sie nicht mit dem Koran übereinstimmen, verbrennt sie ebenfalls, denn sie sind schädlich. Das klingt nur deshalb barbarisch, weil der Koran für uns bedeutungslos ist. Setzt man jedoch für den Kalifen Omar den Bibliothekar Karl Wilhelm Neubauer und für den Koran das Internet, elektronische Bücher und Zeitschriften sowie das Drucken auf Abruf oder andere digitale Techniken ein, die zum Teil noch zu entwickeln sind, dann erkennt man die Weisheit einer heiligen Zerstörungswut, die aufhebt, was sie vernichtet. Rousseau und Nietzsche zitieren den barbarischen Kalifen als Beispiel für die Vitalität junger, unverbildeter, eroberungssüchtiger Kulturen. Karl Wilhehn Neubauer ist der scheidende Direktor der Universitätsbibliothek Bielefeld, die als modernste Bibliothek Deutschlands gilt. Neubauer ist 62 Jahre alt, wirkt aber, als hätte vor zwanzig Jahren jemand das Alterungsgen bei ihm abgeschaltet. So verkörpert er die Vitalität der jungen, aber machthungrigen digitalen Zivilisation. Er ist der klassische Nestbeschmutzer. Viele Berufskollegen hassen ihn. Aber das Publikum vergöttert Nestbeschmutzer: Denn Nestbeschmutzer suchen die Schuld nicht bei den anderen, sondern bei sich selbst. So sind sie die Umstürzler, Antreiber, Macher. Wenn das Thema Bibliotheken nicht so verstaubt klänge, wäre Neubauer der Liebling der Medien. Hier liegt eines der Probleme: Kommunikation. Die Bibliothekare, gewohnt, seit Omars Zeiten und früher immer schon dagewesen zu sein, sagen uns nicht, was sie eigentlich machen und wozu wir sie künftig noch brauchen. Wir fragen sie aber auch zuwenig. Zwar wollen wir eine sogenannte "Wissensgesellschaft" sein, und wir haben gelernt, daß wir den stetigen Bevölkerungsrückgang nur durch Produktivitätssteigerung aufwiegen können, also durch Bildung und Forschung. Aber das hat keine ernsthaften Konsequenzen. Wie also Aufmerksamkeit erregen für ein Thema, das die Gesellschaft interessieren müßte? Beispielsweise durch eine Konferenz zum Thema "Informationsqualität für alle und ihre Kosten", auf der Neubauer seine radikalen Ideen letzte Woche in Bielefeld drei Tage lang von einer Garde internationaler Fachleute feiern und bekräftigen ließ. Aber nicht Eitelkeit haben wir ihm vorzuwerfen, sondern eher, daß er immer noch nicht radikal genug ist. Richtig verstanden, sind Bibliotheken die "Nabe", das starre Traditionszentrum, um das sich die Innovationsdynamik der wissensbasierten Gesellschaft dreht, so die Leiterin der Unternehmensbibliothek beim Computerkonzern Hewlett Packard. Die Nabe wirkt jedoch im verborgenen, ihr Prinzip ist, die Reibungsverluste bei der Fortbewegung so gering wie möglich zu halten, also möglichst selbst nicht spürbar zu sein. Wir dagegen haben ein falsches, sentimentales Bild von Bibliotheken.
    Wir stellen sie uns monumental vor. Dies zeigte Liv Saeteren, Direktorin der öffentlichen Bibliothek von Oslo. Sie berichtete über die Schwierigkeiten, die neue Rolle der Bibliothek als "Lernzentrum" angemessen architektonisch umzusetzen. Tatsächlich: Seit die Nationalbibliotheken im neunzehnten Jahrhundert in kolossale Monumentalbauten einzogen, erhielten sie ein Prestige, als wären sie die Ursache und nicht bloß das ephemere Ergebnis erfolgreicher industrieller Nationalökonomien. Das Modell ist immer noch prägend für unser Denken: Entscheidend ist die berauschende Größe - die des Baus oder die des Bestandes. Heute ist das jedoch anders: Je mehr die Bibliotheken unsichtbar werden und verschwinden, desto mehr werden sie zur stillstehenden Mitte fortwährender technischer und kultureller Revolutionen, zur Achse der wertschöpfenden Tätigkeiten, zur tatsächlichen Grundlage und nicht nur symbolischen Repräsentation gesellschaftlicher Macht. Wie ist dieser Bedeutungszuwachs durch Verschwinden, der Erfolg durch Abwesenheit. denkbar? Dazu müssen wir ein wenig ausolen. Beginnen wir mit dem Stichwort "Bibliothekskrise". Damit ist gemeint, daß die Ankaufsetats der wissenschaftlichen Bibliotheken bei weitem nicht so schnell steigen wie die Preise vor allem der Zeitschriften im Bereich von Naturwissenschaft, Technik und Medizin. Die Folge ist, daß erst weniger Fachbücher angeschafft und schließlich auch immer mehr Abonnements gekündigt werden müssen. Die Bibliothekare warnen, daß deshalb Studenten länger studieren müßten, daß Spitzenkräfte abwanderten und der "Wissenschaftsstandort Deutschland" gefährdet sei. - Krise? Welche Krise? - In Wirklichkeit ist das aber ein internationales Problem. Es trifft alle Länder - und am schlimmsten die armen. Am Anfang schrien die Bibliotheken einfach nur nach mehr Geld. Als nicht genug kam, begann man Schuldige zu suchen. Vor einem halben Jahr hatten die kommerziellen Verlage mit ihrer Profitgier den Schwarzen Peter. Heute trifft es auch die Wissenschaftler. Denn Bibliothekare und einzelne Wissenschaftler kamen auf die Idee, den Ertrag der Forschung in autonomen Verlagen selbst zu vermarkten, die kommerziellen Verlage zu boykottieren und so einen preismindernden Wettbewerb zu fördern. Aber die Boykottaufrufe fruchten nicht, denn für die meisten Wissenschaftler ist es allein wichtig, in renommierten Zeitschriften zu publizieren, um ihren Ruhm zu mehren, und ihre Karriere- und Verdienstchancen zu erhöhen. Deshalb sind sie heute die bevorzugten Buhmänner der Bibliothekare, die ihre Anstrengungen hintertrieben sehen durch Eitelkeit und Gleichgültigkeit. Alle sind sich einig, daß Geld der Hebel ist. um die nötigen Verhaltensänderungen zu bewirken. Unterschiedlich sind nur die Meinungen, welche finanziellen Anreize geschaffen werden sollen.
    Manche Bibliothekarsvertreter wollen beispielsweise den Wissenschaftlern "verbieten, die Nutzungsrechte wissenschaftlicher Arbeiten von vornherein zu kommerzialisieren". Sie möchten die Aufmerksamkeitsökonomie der wissenschaftlichen Zeitschriften, mit der die Qualität von Wissenschaft gemessen wird, durch ein anderes System ersetzen. Sie möchten die Endnutzer an den Nutzungskosten für Datenbanken beteiligen. Sie möchten den Einkauf von Zeitschriften länderübergreifend koordinieren, in der Hoffnung, die Nachteile der gegenwärtigen Konsortialverträge zu überwinden. Diese Einkaufsgenossenschaften, so ihre Erkenntnis, führten in der jetzigen Gestaltung nur zu einer größeren Anzahl verfügbarer Titel, aber nicht zu sinkenden Preisen. Neubauer dagegen paßt die ganze Richtung nicht. Warum die Konflikte nicht eskalieren lassen, bis uns der ganze korrupte Laden um die Ohren fliegt? Und dann neu aufbauen. Vor allem: keine Konsortien mehr. Jede Bibliothek müsse ihr individuelles Informationsprofil definieren, entsprechende Abonnements bestellen oder einzelne Artikel nach Bedarf kaufen ("pay per view") und ansonsten die Zeitschriften abbestellen. Das heißt: sich auf die thematischen "Kernkompetenzen" der Hochschule konzentrieren und hier das attraktivste, reichste Angebot schaffen. Würden das alle so machen, ergäbe sich auch ein wohltuendes Artensterben unter den fettsubventionierten Zeitschriftensauriern. Wissensbeihilfen Denkt man das weiter, braucht man dann überhaupt noch Bibliotheken? Professoren und Studenten könnten bei den Verlagen direkt ihre Informationen beziehen, im Abonnement oder per Einzelabruf, wie im normalen Leben eines Abonnenten beispielsweise dieser Zeitung. Jeder nach seinen Möglichkeiten und Bedürfnissen. Der zentrale Ankauf und die kostenlose Bereitstellung waren einmal die effizienteste Art, den Zugang zu Qualitätsinformationen zu garantieren. So sind die Bibliotheken unterderhand zu Sozialstationen degeneriert. Das wird im Licht der digitalen Revolution heute sichtbar. Denn die digitale Technik, die alle Information in beliebig kleine Einheiten zerteilt, erlaubt den Zugriff in jeder individuell wünschenswerten Form. Und jede Informationseinheit kann als solche vermarktet werden. Das "Zwischenlagern" in Bibliotheken wird für einen bedeutenden Teil der Literatur künftig überflüssig und entsprechend auch die falschverstandene "Mission" der öffentlichen wie der wissenschaftlichen Bibliotheken, die Informationen kostenfrei an die vielen "Bedürftigen" abzugeben. "Informationsgerechtigkeit" sicherzustellen ist künftig eine Aufgabe der Öffentlichkeit, nicht mehr der Bibliotheken. Wie so etwas technisch denkbar ist, zeigte in Bielefeld der Leiter der Öffentlichen Bibliothek von Eindhoven am Konzept städtischer oder regionaler "WissensBezirke".
    Aber auch hier ist die Unterscheidung zwischen der "technischen" gegenüber der "sozialen" Garantie des Zugangs zu. Information noch nicht durchgeführt. Neue Entwicklungen und Anreizsysteme werden so denkbar: Lernhungrige Studenten, die viel lesen, könnten zum Beispiel eine prozentual höhere "Informationsbeihilfe" erhalten. Lehrbücher müssen so schnell wie möglich durch interaktive eBooks ersetzt werden. Für die Papierbestände, die in den historischen Wissenschaften von Bedeutung bleiben, solange sie nicht retro-digitalisiert sind, wünscht man sich Zusammenlegung in spezialisierte, Präsenzbibliotheken in der Nähe von Archiven, Nachlässen, Sondersammlungen, Forschungsschwerpunkten. Auch für die Geisteswissenschaften könnte sich die Digitalisierung so als segensreicher Richtungsimpuls auswirken: Zurück zu den Quellen! Die Dokumente verschwinden, das ist nur eine Frage der Zeit. Die Bibliothekare schlüpfen in neue Rollen als Informationsvermittler, die vor allem das "soziale Leben" der Information betreuen: Sie halten als Administratoren die Information durch ständige Wartung technisch lebendig. Sie testen und installieren Systeme, die den Nutzern helfen, ihre individuellen Informationsportfolios zu optimieren. Sie schulen die Nutzer in der Suche, Nutzung und Entwicklung von Lern- und Lehrmaterialien. Sie liefern Daten zum Informationskonsum, die Rating-Agenturen zur Bewertung der Qualität von Forschung und Lehre nutzen können. Einiges davon deuteten Präsentationen auf der Konferenz bereits an. Die Bibliotheken sind schwach und müssen gestützt werden? Wer schon fällt, den muß man stoßen, so der promovierte Theologe Neubauer, der sinnigerweise an einem Buch über Dschingis Khan schreibt. Sondermittel dürften die Ministerien nur den Starken geben, die sich reformieren und rückhaltlos den Ausbau der digitalen Infrastruktur und der entsprechenden Dienstleistungen vorantreiben. Gilt diese robuste Ethik nur für die Bibliothekspolitik? Die Gesellschaft dürfe nicht zulassen, daß ein Informationsproletariat entsteht. Das aber ist nicht nur eine Frage von arm und reich. Auch müssen die Menschen die Information nicht nur finden können. Sondern sie müssen sie auch bewerten, müssen zwischen guter und schlechter Information unterscheiden können und wollen. Vielleicht wird "Informationsethik" das Hauptfach in der "Lern-Bibliothek" der Zukunft. Denn universelle Verfügbarkeit von Information ist zwar technisch denkbar, aber sie ist nicht per se wünschenswert. Geld ist ein bewährtes Mittel zur Steuerung sozialer Systeme. Warum sollen statt der Bibliothekare nicht die Nutzer selbst entscheiden, in welche Themen sie mit ihrem persönlichen Budget investieren wollen? Der Wettbewerb ist ein härterer Prüfstein als selbst der Koran: Was mich nicht stärkt, ist schädlich, was ich langweilt, ist überflüssig."